Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
sagte, es würde sicher gehen. Leandra konnte sich einer gewissen Faszination nicht erwehren, wenn sie Jasmin betrachtete. Sie wirkte wie von höchster Geburt - als fließe königliches Blut in ihren Adern. Allein ihr Gang war eine Augenweide. Dabei aber besaß sie eine so bescheidene, unauffällige Art, dass sie gleichzeitig fast wieder völlig verblasste. Roya war die jüngere der beiden, und es war offensichtlich, dass sie bewundernd zu ihrer großen Schwester aufblickte.
Allein Marina schien ein Klotz am Bein werden zu wollen. Bei jeder Winzigkeit, die die Moral auch nur einen Hauch infrage stellte, zog sie sich mit nur schwer verhohlener Empörung zurück. Sie ging nur hinunter, wenn es unvermeidbar war, und zog sich dabei beide Hemdchen über, damit man nicht hindurchsehen konnte.
Die anderen machten sich langsam lustig darüber. Für manche war es inzwischen ein Spaß geworden, die tumben Kerle dort unten aufzureizen und ihnen anschließend zu verstehen zu geben, wie sehr sie sie verachteten - dass sie nicht einmal in tausend Jahren eine Chance hätten, bei ihnen zu landen.
Als Hellami Marina ein weiteres Mal so heftig anschnauzte, dass sie zu weinen begann, nahm Leandra sie beiseite. »Sie kann nichts dafür!«, sagte sie mit leiser Stimme. »Sie ist so erzogen worden! Du kannst einfach nicht von jedem Mädchen verlangen, dass es in einer solchen Situation ....«
»Klar kann ich das!«, zischte Hellami wütend zurück. »Es geht um ihren schönen Hintern! Wenn sie nicht über ihren Schatten springen kann, dann soll sie hier bleiben. Mal sehen, ob sie dann in ein paar Wochen immer noch solche Skrupel hat!«
Leandra hob abwehrend die Hände. »Pssst! Sei doch nicht so laut! Sie wird uns noch hören ...!«
»Soll sie doch. Die blöde Heulsuse!«
Leandra seufzte. Hellami hatte Recht und auch wieder nicht. »Hör zu«, sagte sie. »Wir schaffen es, auch wenn sie nicht mitmacht. Du willst sie doch nicht zurücklassen, oder?«
»Natürlich nicht«, sagte Hellami leise. Sie kühlte langsam wieder ab, war aber noch nicht bereit, ihre Empörung völlig aufzugeben. »Schau dir Jasmin und Roya an! Gestern Abend hätte ich noch geschworen, dass die beiden zu nichts nütze sind. Und jetzt...«
Sie unterbrach sich, denn die Tür ging auf. Azrani kam eilig herein. »Schaut mal, was ich habe!«, sagte sie.
Mit beifälligem Nicken wies Hellami auf Azrani und sah dabei Leandra an. »Die gefällt mir«, flüsterte sie. »Die macht wenigstens mit!«
Azrani kniete sich hin und knotete ein kleines Tuch auf. Ein Häufchen Sand ergoss sich auf den Boden.
»Sand?«, fragte Hellami. »Wozu soll der gut sein?«
»Für die Flasche!«, verkündete Azrani. »Wir füllen ihn hinein und peng! wacht der Kerl nicht mehr auf. Der Sand macht die Flasche viel schwerer!«
Hellami grinste. »Glänzende Idee, Azrani....!«
Im nächsten Augenblick krachte die Tür auf. Guldor und einer seiner Muskelmänner trat herein. »Ihr blödes Weibspack!«, brüllte er wütend. »Den ganzen Tag schon geistert ihr durchs Haus! Ihr habt doch was vor!«
Die Mädchen stoben auseinander - zurück blieb der kleine Sandhaufen auf dem Boden.
»Was ist das?«, brüllte Guldor und deutete darauf. Seine Stimme raste wie eine unsichtbarer Knüppel durch das Zimmer. Die Mädchen, die alle auf dem Boden saßen, zuckten darunter zusammen.
Niemand antwortete.
Er trat zwei Schritte in den Raum und zerrte grob Marina hoch. Ausgerechnet Marina! Leandra sackte der Magen in die Knie.
Wieder deutete er auf den Boden. »Was ist das? Was wollt ihr damit?«
Marina war völlig verdattert. Sie suchte nach Worten. »Wir ... wir wollten uns ... die Zähne damit putzen.«
Guldor glotzte sie blöde an. »Die Zähne putzen? Spinnst du?«
Marina starrte ihn angstvoll an. Er hielt sie am Oberarm, und Leandra konnte sehen, dass ihr das Blut aus dem Arm wich. »Wir ... wir haben ja sonst nichts. Mit Sand geht es!«
Guldor blickte misstrauisch in die Runde. »So? Die Zähne putzen? Ist ja niedlich. Wozu soll das gut sein? Damit ihr vielleicht hübscher lächeln könnt, ihr Schlampen?«
Für lange Sekunden herrschte Schweigen im Raum.
»Wir wollten ...«, begann Marina, brach dann aber ab und blickte zu Boden.
»Was?«, herrschte Guldor sie an.
Marina sah zu ihm auf, und plötzlich war ihr Blick fest. »Runter«, sagte sie.
Guldor schüttelte ungläubig den Kopf. »Runter?«
Marina nickte, und Leandra beobachtete sie angstvoll und fasziniert zugleich. »Ja«, sagte
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