Höhlenwelt-Saga 1 - Die Bruderschaft von Yoor
noch wütend über sich selbst gewesen, so überkam sie jetzt unsägliches Elend.
»Ich hab nichts dagegen«, sagte einer der Burschen. »Aber der Wagen gehört meinem Vetter. Was soll ich ihm sagen...?«
Hellami wandte sich zu Leandra und nahm ihr das Geld aus der Hand. Sie pfiff leise durch die Zähne, als sie sah, wie viele Goldmünzen sie ergattert hatte. »Also«, sagte sie, »ich gehe nicht zurück. Wenn ihr es wollt, bitte sehr.
Aber es ist mein Geld. Ich habe es besorgt. Und ich kaufe den Wagen. Bezahlbar wird er ja wohl sein, oder?«
Der Bursche nickte unsicher. »Na ja ... aber die Pferde sind auch noch dabei...«
»Wie viel?«
Ihm war mulmig zumute. Offensichtlich wollte er sich nicht bereichern, aber einen Preis zu nennen war ihm unangenehm.
»Es sind ungefähr hundertachtzig oder zweihundert Folint«, half ihm sein Kumpel, der noch unten stand. »Das ist ein ehrlicher Preis. So viel kostet es, den Karren samt den Pferden wiederzubeschaffen.«
Hellami nickte und trat zur Kante der Ladefläche ins Mondlicht. »Gut. Hier sind... zweihundertzehn!« Sie suchte im spärlichen Licht einige Münzen zusammen. Leandra hatte gesehen, dass in ihrer Hand noch etliches übrig geblieben war. Sie hielt dem Blonden das Geld hin, und er nahm es zögernd.
»Ich fahre jetzt los!«, verkündete Hellami. Sie sprang hinunter und umrundete den Wagen.
Kaum jemand hatte noch Zeit, besonders viel nachzudenken, aber niemand versuchte, Hellami daran zu hindern, so rasch aufzubrechen. Eine Minute später setzte sich der Wagen in Bewegung. Die drei Jungs, Azrani und Marina standen regungslos im Mondlicht und blickten ihnen hinterher.
Roya saß auf der Ladefläche und schluchzte leise. Ihre Schwester hielt sie im Arm und versuchte sie mit sanften Worten zu trösten. Leandra saß in einer Ecke, im Kopf einen schwarzen Abgrund, so groß wie ganz Savalgor.
Halb betäubt starrte sie in die Dunkelheit des Wageninneren. Von Hellami war nichts zu sehen, sie saß auf dem Kutschbock und lenkte den Wagen durch die Nacht.
Vor einer halben Stunde noch hatte sie geglaubt, dass sie nie wieder ihr Schicksal würde alleine tragen müssen, und nun war ihre kleine Gemeinschaft schon zerbrochen. Enttäuscht dachte sie an Azrani und Marina und verstand nicht, wie man sich hatte trennen können, ohne sich auch nur noch ein letztes Mal zu umarmen.
Jasmin kroch zu ihr herüber. Sie setzte sich neben Leandra.
»Wie geht es deiner Schwester?«, fragte Leandra trübsinnig.
»Sie ist gerade eingeschlafen.«
Leandra seufzte.
»Hör mal ...«, begann Jasmin.
Leandra drehte sich um und suchte Jasmins Gesicht. Durch ein paar Ritzen in der Plane fiel hin und wieder ein Streifen fahlen Mondlichts. Es war ein sehr schönes Gesicht, mit sanften, aber klaren Zügen, von einem zerzausten, roten Haarschopf eingerahmt.
»Du solltest dich um Hellami kümmern«, meinte Jasmin.
Leandra war überrascht. »Was ... ich?«
»Ja. Der Vorschlag, uns zu trennen, kam zwar von mir, aber sie hat es rasch durchgezogen. Es war das Vernünftigste, was wir tun konnten. Irgendjemand von uns kommt jetzt sicher durch.«
Leandra schnaufte. Dass Jasmin so denken würde, hätte sie nicht für möglich gehalten.
»Ich glaube, sie werden es schaffen«, sagte Jasmin. »Die Jungs helfen ihnen bestimmt, auch wenn sie vielleicht nicht nach deinem Geschmack sind.«
Leandra sah abermals betroffen auf. Aber Jasmins Gesicht war freundlich. Zum ersten Mal in dieser Nacht hatte Leandra das Empfinden, dass es jemand gab, der sie verstehen konnte.
»Hast du nicht gesehen, wie glücklich Azrani war?«, fragte Jasmin weiter. »Es war das einzig Richtige, dass sie bei ihm blieb. Ich bin sicher, er wird für sie kämpfen!«
Leandra sagte immer noch nichts.
»Und dass Marina bei ihnen blieb, war bestimmt auch das Beste für sie. Mit ein wenig Glück findet sie nach Hause zurück und ist dort in Sicherheit.«
»Und ihr beide? Du und Roya?«
Jasmin schüttelte den Kopf. »Wir sind nicht aus Savalgor, wir kennen dort niemanden. Aber wir sind ja immer noch zu viert. Wir bringen uns erst mal in Sicherheit, dann finden wir schon nach Hause. Wir stammen aus einem kleinen Dorf nördlich von Savalgor.«
Leandra nickte in die Dunkelheit hinein. Jasmin hatte Recht. Also blieben jetzt nur noch sie und Hellami übrig.
Sie nahm sich zusammen, dachte, dass sie langsam damit beginnen sollte, mal etwas richtig zu machen.
»Gut. Ich gehe zu Hellami«, sagte sie.
Sie drückte Jasmin kurz die Hand,
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