Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
fahlgraue
Licht des Tages herein. Noch immer lag sie auf ihrem Lager aus
leeren Säcken, wo sie sich am Vorabend zusammengerollt hatte.
Die ganze Nacht war verstrichen.
Mit leisem Gähnen richtete sie sich auf und sah sich um. Ein eisiger Schreck fuhr ihr durch die Glieder, als sie die dunklen Umrisse einer Gestalt vor sich sitzen sah. Sie zuckte hoch, versuchte
rückwärts davon zu kriechen, bis sie mit dem Rücken gegen einen
Kistenstapel stieß. »Guten Morgen, Shaba!«, hörte sie ein Flüstern. Matz!
»Haste gut geschlafen? Ich hab auf dich aufgepasst… ähm, auf
Euch, Hoheit…« Alina presste erleichtert eine Hand gegen ihre
Brust. »Matz – du bist es!« Sie seufzte. »Was bin ich froh, dich zu
sehen!«
»Ja, ich auch«, erwiderte der kleine Mann. »Ich mein, dass Ihr’s
seid, Hoheit…« Alina krabbelte zu ihm. »Hör auf mit diesem >Hoheitgrößte Witz einer Shaba, den Akrania je gesehen hat. Ich habe
kein Volk, einfach niemanden!«
»Ihr… Ihr habt mich, Shaba!«
Für einen Moment überkam Alina der Hauch des Bedürfnisses,
ihm die stoppelige Wange zu küssen, ihrem Mörder. Er besaß ein
gutes Herz, dieser Matz, er hatte einfach nur schlechte Manieren.
Grauenvolle Manieren. Sie bekräftigte sich in ihrem Entschluss,
ihn zivilisieren zu wollen. »Hast du die ganze Nacht bei mir gesessen?«
»Nee, Shaba. Erst seit Mitternacht. Da hab ich Euch gefunden.
Ich hab Euch…dir… ‘n paar Mal die Nase zugehalten. Du
schnarchst.«
»Ich… schnarche?«, quietschte sie entsetzt. Sie schlug sich die
Hand vor den Mund. Er kicherte wieder. »Nur ganz leise, Shaba.
Hört sich irgendwie… niedlich an. Ihr seid… du bist sehr schön,
wenn du schläfst.« Sie stöhnte leise. »Danke, Matz. Und… mein
Schnarchen hört sich niedlich an?«
»Ja, Shaba. Ist aber wirklich leise. Und nicht oft. Aber ich wollte
sicher gehn. Wegen den Drakken, wisst Ihr?«
»Ja, schon gut. Und sag nicht Shaba zu mir. Ich heiße Alina.«
»Ähm… ja, Shaba.«
Abermals seufzte sie. Leicht würde es mit ihm nicht werden. Er
besaß so etwas wie Bauernschläue, aber mit seiner Bildung oder
seinen Umgangsformen war es nicht weit her. Vermutlich würde
er ständig zwischen Ihr und du, Alina, Hoheit und Shaba schwanken. Hoffentlich endete das nicht damit, dass er sie verriet.
Inzwischen war es in der Halle ein wenig heller geworden, draußen dämmerte der Morgen herauf. Als ihr Blick wieder auf Matz
fiel, sah sie etwas. »Wo… wo hast du das Halsband her, Matz?«
Sie deutete entgeistert auf das schwach leuchtende Symbol, das
halb unter dem Kragen seines Hemdes verborgen war.
Er tastete danach und zog es ein bisschen nach oben. »Ach das?
Also… das hab ich… ach, fragt lieber nicht, Shaba.«
Alina schnaufte. »Hast du es etwa schon wieder…?«
»Nee, nee!«, beeilte er sich zu versichern und hob die Hände.
»Nee, bestimmt nicht. Ich… ich…« Nun hob Alina ebenfalls abwehrend eine Hand. »Schon gut«, sagte sie, »ich will es gar nicht
wissen. Ich hoffe und bete nur, du hast nicht wieder jemanden
dafür…«
Er senkte den Kopf, sagte aber nichts. Alina beschloss, es zu ignorieren. Dafür würde sie jetzt gleich mit ihrem Vorhaben beginnen. »Hör mir zu, Matz!«, sagte sie in strengem Ton. »Ich gründe
hier und jetzt ein neues Reich! Neu-Akrania! Und du bist der erste
Bürger meines Reiches. Mag sein, dass du eines Tages ein hoher
Würdenträger bist. Aber dazu benötigst du etwas, woran es dir
ganz entschieden mangelt! Weißt du, was das ist?«
Matz’ Augen hatten zu leuchten begonnen. »N-nein, Shaba…!«,
stotterte er.
»Manieren!«, sagte sie fest. »Dir mangelt es an Manieren! Wenn
irgendjemand in dieser Welt Manieren haben muss, dann sind es
die Leute aus dem Umfeld der Shaba – ihre persönlichen Freunde!
Verstehst du das?« Er nickte zögernd.
»Also, dann hör mich an! Wenn du mein erster Bürger bleiben
und einmal ein hoher Würdenträger werden willst, dann ist jetzt
Schluss mit dem Morden und den Bluttaten, verstanden? Sonst
lasse ich dich einsperren!«
Er zögerte. »Aber… wenn dich wer…« Sie hob abwehrend beide
Hände. »Wenn mich jemand angreift, dann ist das etwas anderes.
Dann darfst du mich verteidigen! Aber ohne meine Erlaubnis tust
du jetzt niemandem mehr etwas zu Leide, verstanden?«
Er nickte pflichtschuldig.
Sie erhob sich. »Gut, Matz. Dann bring mich jetzt an einen sicheren Ort. Einen, der möglichst nicht ganz so
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