Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
aufmerksam
ihren Weg merken und stritten häufig darüber, ob sie diese oder
jene Stelle bereits überflogen hatten oder nicht. Markos Drakkentafel bot leider längst keine Hilfe mehr. Drakkenschiffe hatten sie
den ganzen Tag über noch nicht gesehen; wenigstens das war
erleichternd. Sollte sich der Tunnelausgang tatsächlich in dieser
Gegend befinden, bestand die Hoffnung, dass Roya hier vor den
Drakken sicher gewesen war. Dann endlich, am Nachmittag, fanden sie es. Marko schätzte, dass sie insgesamt an die zweieinhalb
Meilen höher flogen als noch vor zwei Tagen. Sie waren über
mehrere Stufen einzelner Wasserfälle weit hinauf in die Einsamkeit einer völlig abgelegenen Bergwelt gelangt – in eine Hochebene, die Alina zu Fuß niemals gefunden, geschweige denn erreicht
hätte, auch wenn sie ein ganzes Jahr lang umhergestreift wäre.
Die zahllosen kleinen Wasserarme, die sich in Form tosender
Wildbäche den Weg in tiefere Regionen gebahnt hatten, entstammten tatsächlich einem einzelnen breiten Fluss, der sich ruhig und majestätisch seinen Weg durch ein hoch gelegenes, breites Tal bahnte. Für Meilen folgten sie seinem Lauf. Als sie einen
Bergrücken umrundeten und weiter nach Westen flogen, öffnete
sich vor ihnen plötzlich ein gewaltiger Tunnel. Es war ein phantastischer Anblick. Die Öffnung war fast kreisrund, eine Dreiviertelmeile im Durchmesser und von einem schneebedeckten Gipfel
majestätisch überthront. Hinter dem ersten Abschnitt des Tunnels
gab es einen tiefen Einschnitt in den Felsmassen des Berges; das
Licht der Nachmittagssonne, das durch ein riesiges Sonnenfenster
weiter westlich fiel, fand seinen Weg durch den Einschnitt und
beleuchtete den Fluss auf zauberhafte Weise das letzte Stück seines Wegs, bis er vollends ins Freie trat. Weiter hinten schloss sich
ein finsterer Schlund an, nicht weniger breit als der Tunnel, aber
viel niedriger, und dort gab es kein Licht mehr. Die Dunkelheit
kündete von einem langen Weg tief unter dem Hauptkamm des
Ramakorums hindurch.
»Bei den Kräften!«, flüsterte Alina ehrfurchtsvoll und deutete
voraus. »Stellt euch nur vor: Dort sind sie hindurch gefahren.
Fünf Leute, nur mit einem Floß, und dann haben sie auch noch
einen jungen, verletzten Feuerdrachen gerettet und mit sich genommen. Unglaublich!«
Die Felsflanken oberhalb des ersten, lichtdurchfluteten Tunnels
stiegen steil an, waren aber bis zu einer gewissen Höhe bewaldet.
Am Nordufer, noch innerhalb des Tunnels, lag eine Stelle, die einigermaßen flach erschien, sodass man dort entweder ein Floß
festmachen oder ein Flugschiff landen konnte. Marko deutete
darauf. »Wenn ich mit einem Floß aus diesem Tunnel käme, würde ich dort an Land gehen. Was meint ihr?« Alina nickte. »Es ist
gut geschützt, auch gegen Wind und Wetter… ja, das würde ich
wohl tun. Wollen wir dort landen?«
Meister Izeban nickte und hantierte vorsichtig mit seinen Hebeln
und Pedalen. Wenn er landen sollte, musste er es möglichst früh
wissen, denn nichts, was unter seinem Einfluss lag, vermochte
eine wirkliche Bremswirkung zu erzeugen. Er ließ das Boot sinken, steuerte es mit den Hebeln in den Tunnel hinein und versuchte es dann so zu verlangsamen, dass es schließlich genau
über der sandigen, flachen Stelle am Flussufer schwebte. Er hatte
inzwischen einige Übung darin. Vom Schiff aus betrachteten sie
den Fleck, aber nichts deutete darauf hin, dass hier in den letzten
Wochen jemand gewesen war.
»Sollen wir nicht lieber noch ein Stück weiter in den Tunnel hineinfliegen?«, schlug Marko vor. »Ehrlich gesagt glaube ich nicht,
dass Roya noch hier ist. Wir brauchen eine Spur von ihr.« Alina
und Izeban stimmten zu. Izeban steuerte das Boot wieder in die
Mitte des Tunnels und ließ es steigen. Langsam nahm es Fahrt
auf und glitt tiefer in die gigantische Öffnung hinein. Nun konnten
sie das Innere überblicken und entdeckten, dass es jenseits des
Einschnitts, durch den das Licht hereinfiel, eine weitere Verzweigung gab.
Das meiste Wasser strömte durch den niedrigen, breiten
Schlund, den sie zuvor gesehen hatten, aber südlich davon ging
der Einschnitt selbst in eine hohe und schmale Schlucht über, an
deren Grund ebenfalls ein Wasserstrom hervortrat. Sie wählten
diesen Weg. Bald darauf schwebten sie zwischen hohen Felswänden und nur von ganz oben drang durch einen schmalen Spalt
Licht zu ihnen herab. Plötzlich verbreiterte sich die Schlucht und
endlich fanden sie, wonach sie gesucht hatten.
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