Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
Palastverlies gebracht. Der Rest von ihnen ist tot oder geflohen,
ungefähr fünfzwanzig. Es war keine schöne Schlacht. Sie hatten
mehrere unfassbar brutale Leute dabei.
Regelrechte Irre, die nur das Töten im Sinn hatten.«
Leandra nickte. »Ja. Hier war auch so einer. Eine wahre Bestie.«
Sie nickte in Richtung des Glatzköpfigen, der noch immer in der
Mitte der Halle am Boden lag.
Meister Fujima befeuchtete ihre nassen Beinwickel mit kaltem
Wasser. Leandra verzog das Gesicht.
»Ich staune mal wieder«, sagte er, »dass du mit deinen einundzwanzig Jahren ein solches Monstrum besiegen konntest, mein
Kind.«
»Inzwischen zweiundzwanzig!«, erwiderte sie seufzend. »Aber
es hätte auch so nicht gereicht.
Victor hat ihn erledigt.«
»Victor?«
Leandra nickte. »Ja. Plötzlich war er da. Er hat das Talent zum
Lebensretter – im letzten Augenblick taucht er auf. Glaubt mir,
Meister, ich war zuletzt sicher, dass es aus mit mir wäre. Auch
mit Alina und Marie.« Sie stemmte sich auf die Ellbogen und
blickte hinüber zu den dreien. Sie saßen noch immer da, Alina in
einigem Abstand zu Victor; sie wechselten einzelne Worte. Leandra wusste nicht, was sie über die beiden denken sollte. Dass soeben eine plötzliche Liebe zwischen den beiden aufflammte, war
wohl eine groteske Vorstellung. Und Leandra konnte auch keinen
Geschmack daran finden. Ausgerechnet Alina und Victor – das
waren im Moment die einzigen beiden Menschen, mit denen sie
ihren Kummer hätte teilen mögen.
»Jacko hat eine Armverletzung davongetragen. Aber es geht
ihm einigermaßen. Hellami kümmert sich um ihn, als wäre er ein
kleines Baby. Sie hat übrigens gekämpft wie eine Furie. Mit diesem… seltsamen Schwert.«
Sie nickte verstehend und seufzte. »Und unsere Männer? Die
Palastgarde?«
»Wir haben ungefähr vierzig Mann verloren«, sagte Hochmeister
Jockum. »Die meisten durch Kampfmagien. Und es gibt noch
einmal so viele Verletzte. Ein hoher Preis, ich weiß. Aber wenn die
Kräfte uns beistehen, können wir jetzt einen neuen Anfang machen.«
Leandra sah ihn zweifelnd an. Das größte Problem lag noch vor
ihnen, das musste auch dem Primas klar sein: der Rat und Alinas
Weg auf den Thron.
Aber dennoch, es war etwas anderes, wenn man an einem
Strang zog. Sie hoffte nur, dass es Alina auch wirklich auf den
Thron schaffte. Dann hatten sie vielleicht eine Chance gegen die
Drakken.
»Und ich?«, fragte sie. »Sind meine Beine noch zu etwas nütze?
Oder werdet ihr sie mir abschneiden?«
»Du kannst ja schon weder Witze machen!«, sagte Meister Fujima. »Also wirst du es überstehen.«
Leandra blickte zu Alina und Victor. »Da bin ich nicht so sicher«,
entgegnete sie. Wieder spürte sie Tränen in den Augenwinkeln.
*
Altmeister Ötzli saß schweigend neben Victor an einem Tisch,
die Augen geschlossen. Seine Linke umfasste Victors rechtes
Handgelenk, mit der anderen Hand berührte er Maries winzige
Stirn. Alinas Sohn lag, leise brabbelnd und in weiße Tücher gewickelt, vor ihm auf dem Tisch. Um den Tisch herum standen, in
stummer Konzentration und mit geschossenen Augen, die restlichen Mitglieder des Hierokratischen Rates, nur mehr zehn Köpfe
zählend. Sie hatten sich die Hände gereicht, sodass sie einen
durchgehenden Kreis bildeten. Dabei hielt Primas Ulkan Victors
Linke, und Altmeister Lormas, der auf der anderen Seite des Kreises stand, berührte wiederum Marie. Der Kleine hielt in typischem
Säuglingsreflex Lormas’ Zeigefinger umklammert. Auf diese Weise konnten auch die Mitglieder des Rates, die nicht über magisch
geschulte Sinne verfügten, am Prozess der Wahrheitsfindung teilhaben: nämlich ob Victor tatsächlich Maries Vater war oder nicht.
Um den Kreis der Hierokraten herum herrschte ebenso tiefes
Schweigen. Mitglieder der Palastgarde waren hier im großen Sitzungssaal des Rates anwesend; es waren, einem raschen Abkommen zufolge, zwei Gruppen zu je fünfzig Mann, die sich an
den Wänden drängten. Die eine rekrutierte sich aus dem Teil der
Garde, der sich nach wie vor zum Hierokratischen Rat bekannte –
aus Gründen der Pflicht und des soldatischen Eides. Die anderen
fünfzig gehörten zu den Soldaten, die sich dazu entschieden hatten, diesen Kodex zu ignorieren, und sich unter den Befehl von
Alina gestellt hatten. Zuversichtlich nannten sie sie bereits Shaba.
Zwischen den beiden Gruppen herrschte ein unausgesprochener
Waffenstillstand. Zwei hohe Offiziere mit goldenen Helmen in der
Armbeuge flankierten Alina und
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