Höhlenwelt-Saga 4 - Das magische Siegel
sie weinte, war
nicht zu überhören. Azrani, Marina und Hellami folgten ihr, doch
Leandra blieb, wo sie war. Denn der Primas hatte gleich darauf
sie in den Blick gefasst. Sie spürte, dass die dritte schlechte
Nachricht sie selbst betraf. Ihr Herz begann dumpf zu pochen.
Der alte Magier trat direkt vor sie und sie stand auf.
»Irgend etwas ist mit Angadoor«, sagte er.
Sie schluckte. »Mit Angadoor?«
Er nickte. »Eine Meldung hat uns erreicht. Ich weiß nicht genau,
was geschehen ist. Eine Art Überfall oder… ein Unfall. Mehr haben
wir nicht erfahren.«
Leandra starrte ihn mit offenem Mund an. »Ein Unfall?«, stammelte sie.
»Oder ein Überfall. Die Nachricht war sehr unbestimmt.«
»Woher stammt eigentlich diese Nachricht?«, wollte Meister Fujima wissen.
Der Primas zuckte die Schultern. »Das ist es ja, leider! Einer der
Cambrier kam zu uns und sagte, er habe es von einem Hauptmann gehört, der mit seinen Leuten heute Morgen in die Stadt
kam. Wir konnten es nicht zurückverfolgen.«
Leandra hatte das Gefühl, als hätte sie Sand im Mund. Sie war
viel zu lange nicht mehr daheim gewesen. »Gibt es…«, stammelte
sie weiter, »… ich meine, ist irgendjemandem etwas passiert?«
Der Primas hob die Schultern. »Ich weiß es leider nicht. Es quält
mich, dir so eine ungenaue Nachricht überbringen zu müssen,
mein Kind.
Vielleicht ist überhaupt nichts passiert. Ich habe schon überlegt,
dir gar nichts davon zu sagen. Was aber, wenn nun doch etwas
geschehen ist…?«
In Leandras Kopf hatte sich ein Räderwerk in Gang gesetzt. Angadoor war etwa dreihundert Meilen entfernt. Wenn sie schnell
genug einen der Drachen auftreiben konnte, dann würde sie es
noch bis zum Abend nach Hause schaffen.
»Ich werde fliegen!«, sagte sie mit plötzlicher Entschlossenheit.
»Jetzt gleich. Ich muss…«
»Warte, Leandra!«, warf Meister Fujima ein. »Nicht so schnell!«
Leandras Kopf fuhr herum. »Die Hochzeit kann auch ohne mich
stattfinden!«, sagte sie, und es lag so etwas wie Ärger in ihrer
Stimme. »Es wird sogar das Beste sein, ich bin gar nicht dabei,
oder?«
Der Primas schüttelte den Kopf. »Warum?«, fragte er verwirrt.
»Warum? Schließlich habe ich das ganze Unheil hier in Gang
gebracht! Victor ist verschwunden, Alina weint… und ich…« Sie
unterbrach sich, als sie spürte, wie ihr selbst Tränen in die Augen
stiegen. »Ich muss…«
Plötzlich brach das ganze Elend aus ihr heraus.
Sie konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten, hob die Hände
vors Gesicht und wandte sich von Meister Fujima und Hochmeister Jockum ab.
Gleich darauf spürte sie Jockums Arm um ihre Schulter. »Na,
komm schon, mein Kind«, sagte er ruhig. »Ist ja gut. Du kannst
doch gar nichts für all das…« Er führte sie aus dem Raum in ein
angrenzendes Zimmer und drückte sie in einen Sessel. Sie bekam
noch mit, dass Meister Fujima ebenfalls mit hereingekommen war
und hinter sich die große Doppeltür zuzog. Zum Glück war es
nicht das Zimmer, in das Alina geflohen war.
Sie saß schluchzend da und kam sich, trotz ihres Elends, unsagbar dumm vor. Im Gegensatz zu Victor und Alina hatte sie denkbar wenig Probleme und trotzdem heulte sie hier wie ein kleines
Kind.
Wenn ihr nur der Kopf nicht auch noch so weh getan hätte!
Der Primas und Meister Fujima flüsterten ihr eine ganze Weile
Trost zu, ehe ihr Tränenstrom versiegte. Endlich hatte sie die Beherrschung wiedergewonnen. Aber sie fühlte sich nun umso mehr
verpflichtet, nach ihrer Familie zu sehen.
»Das gefällt mir nicht recht, Leandra«, meinte Meister Fujima.
»Diese Nachricht ist reichlich vage und ich kann mir keinen Reim
darauf machen. Was soll in Angadoor passiert sein?«
»Deswegen will ich ja nachsehen!«, beharrte sie.
»Und wenn dich jemand von hier fortlocken will?
Oder wenn es eine Falle ist?«
»Eine Falle?«, fragte sie ungläubig. »Wie kommt Ihr denn auf so
etwas? Wer sollte mir eine Falle stellen?«
Meister Fujima hob die Schultern. »Es gibt sicher einige, die
Groll gegen dich hegen!«
Der Primas nickte bedächtig. »So ganz falsch ist das nicht«,
räumte er ein. »Da wäre dieser unbekannte neue Anführer der
Bruderschaft. Oder gewisse Leute aus dem Hierokratischen Rat.
Es sind sicherlich einige, die Rachegedanken hegen könnten.«
Leandra schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Wenn jetzt
jemand noch etwas ausrichten wollte, dann müsste er die Hochzeit verhindern! Ich bin doch inzwischen nur noch eine Nebenfigur!« Der Primas sah seinen alten
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