Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
hätte noch etwas«, tönte Victor, um möglichst rasch das Thema zu wechseln.
»Leider ebenfalls keine angenehme Sache. Als wir in den Ruinen von Thoo auf Rasnor trafen, waren seine Drakken mit einem Schiff beschäftigt… offenbar mit der Instandsetzung.«
Die beiden nickten ihm zu. »Und weiter?«
»Nun ja, es handelt sich um kein gewöhnliches Drakkenschiff.
Genau genommen habe ich so eines noch nie gesehen. Es ist über zwanzig Schritt lang und sehr schlank, lang gestreckt und irgendwie flachgedrückt. Es hat ganz kleine Flügel, und nach hinten, wo es dicker wird, ragen dicke Röhren aus dem Schiffskörper. Wie soll ich sagen… es sieht ziemlich schnell aus.«
»Schnell?«
Victor zuckte mit den Achseln. »Ja. Gegen dieses Ding wirken die anderen Drakkenschiffe plump wie Ochsenkarren. Wir haben uns überlegt, wozu es gut sein könnte. Ganz besonders, weil es so versteckt gehalten wurde. Später entdeckten wir dort unten so etwas wie eine Werkstatt und ein Lager. Hunderte von Ersatzteilen und Werkzeugen – die ulkigsten Dinge. Es scheint, als hätten die Drakken ganz besondere Sorgfalt darauf verwendet, dieses Schiff flott zu kriegen.« Leandra spürte einen Gedanken in sich aufsteigen. »Du meinst…?« Victor nickte nur.
»Was meint er?«, fragte Alina mit strenger Miene. »Ein Kurierschiff«, sagte Leandra leise, so als fürchtete sie, etwas Verbotenes auszusprechen. »Ein Kurierschiff?«
Leandra nickte nachdenklich. »Du weißt doch – die Drakken müssen ihre Nachrichten mit Kurierschiffen überbringen, jedenfalls dann, wenn sie im All über weite Strecken befördert werden sollen. Sie haben keine Möglichkeiten, sich anders zu verständigen.«
»Ja. Und weiter?«
Leandra hob die Achseln. »Also, wenn Rasnors Drakken so ein Schiff hätten, könnten sie…« Alina ächzte. »Das meinst du nicht im Ernst!« Leandra schüttelte den Kopf. Sie war betroffen von der Befürchtung, die sie selbst ausgesprochen hatte. Das lähmende Gefühl in ihrem Innern, das sie vor kurzem im Turmzimmer des Primas heimgesucht hatte, kehrte wieder. Sie selbst hatte eifrig die Zuversicht verbreitet, die Drakken würden es niemals wagen wiederzukehren. »Vielleicht wissen die Drakken, die irgendwo dort draußen im All auf ihrer Heimatwelt leben, noch gar nicht, was hier passiert ist«, erklärte sie sorgenvoll. »Vielleicht haben wir allein deswegen in den letzten vier Monaten Ruhe gehabt.«
Sie forschte in den Gesichtern von Victor und Alina. »Was ist, wenn uns die Drakken noch immer vernichten wollen – und Rasnor und seine Truppen darauf hinarbeiten?
Das würde auch erklären, warum sie Cleas und die anderen Magier so lange gefangen hielten. Sie hören nicht auf, uns zu ärgern, und nun haben sie auch noch ein Schiff, mit dem sie Hilfe holen könnten.«
»Sie haben es nicht mehr. Wir haben es!«, korrigierte Victor.
Das tröstete Leandra nur wenig. »Ja, stimmt. Aber … glaubst du, sie geben deswegen auf?«
Alina schaltete sich ein. »Nein, natürlich nicht.
Sie werden versuchen, ein anderes dieser Schiffe flott zu kriegen!«
»Falls sie noch eins haben«, warf Victor ein.
Seine Einwände beruhigten auch Alina nicht wirklich. »Darauf können wir es nicht ankommen lassen«, sagte sie und schwieg für eine Weile nachdenklich. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen.« Sie stand auf. »Es wäre gut, wenn Meister Izeban das hören würde. Ich hole ihn rasch!« Sie wandte sich um. »Cathryn, hast du Izebans Werkstatt schon gesehen? Möchtest du mitkommen?«
»Ja!«, rief Cathryn begeistert und sprang auf.
Gleich darauf waren die beiden durch die hohe Zimmertür verschwunden. Victor sah ihr hinterher und blickte dann zu Leandra, die sich erhoben hatte. Er tat es ihr gleich.
Dann standen sie sich unmittelbar gegenüber, und beinahe wäre er einem alten Impuls gefolgt und hätte sie umarmt. Aber sie würde das gewiss nicht schätzen. Er fragte sich, ob Alina ihn und Leandra absichtlich für ein paar Momente allein gelassen hatte.
Leandras Blicke waren voller Wärme, als sie zu sprechen begann. »Du bist ihr immer noch nicht näher gekommen, nicht wahr?«
Victor schluckte. »Hat… sie dir das gesagt?«
»Das muss sie gar nicht. Man sieht es ihr an.«
»Wirklich?« Victor blickte in Richtung der Tür, so als könnte er dort sehen, was Alina bedrückte.
Plötzlich kam er sich wie ein gefühlloser Trottel vor. Seit vier Monaten schon, seit er mit ihr hier im Palast lebte und Vater und Ehemann war, hatte er
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