Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
nicht zu fragen?
Septos holte tief Luft und drehte einen großen, eisernen Schlüssel, der im Schloss der Tür steckte. »Vielleicht habt Ihr Euch gefragt, Hoher Meister«, keuchte er, »was wir… die ganze Zeit über… hier getan haben.«
Rasnor würgte den Kloß in seiner Kehle hinunter. Sein Hals war trocken. Septos öffnete die Tür.
Rasnor stieß ein Röcheln aus. Ein unnatürlich kalter Hauch wehte über sie hinweg. Er war nahe daran, den Kopf zu verlieren und von hier zu fliehen.
Mit wankenden Schritten und erhobener Fackel trat Septos in den kleinen Raum. Auf einem steinernen Sockel stand ein steinerner Sarkophag. Sonst war der Raum vollkommen leer.
Rasnor pumpte hektisch Luft in seine Lungen und zwang sich, Schritt um Schritt näher zu treten. »Wir brachten ihn hierher«, fuhr Septos fort, »viele Monate ist das her. Seither haben wir versucht, ihn einzubalsamieren. Aber haben bisher noch keine Mixtur finden können.«
Rasnor hatte den Sarkophag erreicht und blickte hinein.
Chast.
Ein Schwindel überkam ihn. Nur mühsam hielt er sich auf den Beinen.
»Er… erkennt Ihr ihn?«, fragte Septos mühsam.
Rasnor antwortete nicht. Er wusste selbst nicht, woher er es bereits in der ersten Sekunde gewusst hatte. In dem Sarkophag lag nichts als eine halb verfaulte Leiche, ein verrottetes Stück Fleisch und Knochen, mit aufgerissenem Mund und leeren Augenhöhlen, so ekelhaft und widerlich, dass man sich übergeben mochte. Und doch hatte er es vom ersten Augenblick an gewusst.
»Ist er… tot?«, fragte Rasnor. Eigentlich war die Frage nichts als ein närrischer Witz, denn jener Kadaver in dem Sarkophag hatte sein Leben ebenso so sicher ausgehaucht wie dieser überhebliche Gyndir, den seine Kumpane jetzt dort oben aufsammelten.
Aber selbst Septos schien die Frage nicht als unpassend zu empfinden. »Ja, Hoher Meister. Seine Leiche verstrahlt noch immer eine enorme Aura, aber die ganze Zeit über hat sich an ihm nichts verändert.« Er räusperte sich. »Nur dass er… nun, weiter verfault ist. Wir finden einfach nichts, womit wir ihn vor dem Verfall bewahren könnten.«
Rasnor starrte eine Weile den verrotteten Leichnam an. Dann fasste er einen Entschluss. »Hilf mir!«, forderte er Septos auf und trat an den steinernen Deckel, der am Sockel des Sarkophags lehnte. »Hilf mir, den Sarg zu schließen.«
Septos starrte ihn an. »Wollt Ihr wirklich…?«
»Seit heute habt ihr einen neuen Hohen Meister.
Diese stinkende Leiche braucht ihr nicht mehr!«
Nach einer Weile nickte Septos, steckte die Fackel in einen Wandhalter und beugte sich nieder.
Gemeinsam hoben sie den schweren Steindeckel in die Höhe und schlossen den Sarkophag.
***
Zwei Tage nach Alinas und Leandras Besuch im Ordenshaus traf die Nachricht, dass Rasnor wieder aufgetaucht sei, in Savalgor ein. Victor selbst war der Überbringer der Botschaft, und als er bei seiner Ankunft im Palast hörte, dass Leandra da war, machte sein Herz vor Freude einen Satz.
Er stürmte die Treppen hinauf, sodass ihm die beiden Gardisten, die ihn begleiteten, kaum auf den Fersen zu bleiben vermochten.
Schließlich erreichte er die Gemächer der Shaba und gab den gehetzten Gardisten Gelegenheit, ihn anzumelden.
Es war, wie er vermutet hatte: Sie waren beide da, und er würde sich sehr zurückhalten müssen, Leandra unter Alinas Augen nicht direkt in die Arme zu fallen.
Doch dann war es Cathryn, die jubelnd auf ihn losstürzte und ihm Küsse abverlangte, während sich Leandra und Alina grinsend zurückhielten.
»Ich habe schlechte Nachrichten«, eröffnete er den beiden, nachdem er sich von Cathryn befreit hatte.
Schnaufend ließ er sich in einen breiten Sessel fallen. »Dieser dreimal verfluchte Rasnor ist wieder da.«
Alina wie auch Leandra erschauerten. Auch Cathryn stieß einen Laut aus – sie hatte ebenfalls persönliche Erfahrungen mit diesem Verräter gemacht. Alinas Blicke waren voller Sorge, die von Leandra hingegen voller Wut.
»Ich wusste es!«, knirschte sie. »Ich wusste, dass wir diesen Dreckskerl noch nicht los sind!«
»Wir werden ihn kriegen!«, versicherte Victor.
»Und dann wird er bezahlen!«
»Ja!«, rief Cathryn voller Wut aus und ballte die kleinen Fäuste.
»Er hat mir wehgetan!« Plötzlich lief sie zu Leandra und schmiegte sich Schutz suchend an ihre Seite. Tranen standen in ihren Augen.
»Schon gut, Kleines«, sagte Alina und kniete sich zu Cathryn.
»Wir erwischen ihn ganz bestimmt. Er wird dir nie wieder etwas tun, das
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