Höhlenwelt-Saga 5 - Die Schwestern des Windes
Riesenhornochse.«
Sie besaß das Geschick, dies nicht zu hinterfragen, sondern schenkte ihm ein zweites Lächeln und wechselte dann das Thema.
»Ich habe mich gerade zu etwas entschlossen«, erklärte sie frohgemut.
Dankbar fing er den Ball auf. »So? Wozu denn?« Plötzlich strahlte sie wie ein kleines Mädchen, wie Cathryn. »Ich will wieder nach Malangoorl«, verkündete sie. »Fort aus diesem staubigen Palast und raus aus den feinen Kleidern. Ich möchte wieder einfache Sachen tragen, mit Drachen herumfliegen und unter normalen Menschen sein.« Victor zog die Brauen in die Höhe.
»Nach Malangoor? Aber… von dort aus wirst du kaum Einfluss nehmen können. Nicht den Einfluss, den du brauchst, um hier in Savalgor etwas bewirken zu können.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Doch! Es gibt eine Möglichkeit.«
»So?«
»Cleas! Ich habe dir früher schon einmal vom ihm erzählt – weißt du noch? Der Magier, der mir damals geholfen hat, aus dem Drakkenbergwerk zu entkommen. Seit kurzem ist er hier. Er wird mir etwas ganz Besonderes einrichten – ein Stygisches Portal. Es ist ein Jahrtausende altes Geheimnis, mit dem man auf magischem Weg reisen kann. Er hat es wiederentdeckt und die magischen Schlüssel nachgebildet.«
»Wirklich? Und das geht?«
Sie nickte eifrig. »Ich habe es selbst schon benutzt – damals, auf meiner Flucht. Da hat er mich über Hunderte von Meilen an einen anderen Ort versetzt. Nun wird er mir eine direkte Verbindung einrichten – von hier, dem Palast, unmittelbar nach Malangoor.
Dann kann ich jederzeit hin und her reisen!«
Victor erinnerte sich und nickte. »Ja, jetzt weiß ich wieder… Auf diese Weise bist du damals ins Ramakorum gelangt, nicht wahr?
Bist du da nicht unfreiwillig ins Wasser gestürzt? Fünfzig Ellen tief?«
»Vierzig. Aber diese Gefahr besteht nun nicht mehr. Es wird ganz einfach funktionieren. Dann kann jeder von uns ständig hin und her. Auch du.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Wenn du willst.«
Er nickte ihr aufmunternd zu. »Ja, ganz bestimmt werde ich das.«
Wieder strahlte sie, und Victor überkam ein seltsames Gefühl.
5
Drachenmädchen
R oya war sehr stolz.
Sie stand vor einem riesigen Spiegel, und ihr gefiel, was sie darin sah. Als Herrin von Malangoor – ein Titel, den sie sich insgeheim selbst verliehen hatte – hatte sie gleich nach ihrer Rückkehr nach einem großen Spiegel verlangt. Spiegel waren eigentlich nichts Besonderes, so gut wie jeder besaß einen. Einen so großen wie den ihren hatte sie bisher jedoch erst einmal gesehen: in Alinas Badezimmer, dem Badezimmer der Shaba, im Palast von Savalgor. Niemand sonst besaß einen so riesigen Spiegel, und dazu noch einen, der ein so helles, klares und scharfes Bild zurückwarf. Er bestand aus einer auf Hochglanz polierten, dünnen Metallplatte. Jenkash, der Malangoorer Schmied, hatte sogar ein Gestell dahinter gebaut, damit das Metall flach auflag und sich nicht wellte – und Royas Gestalt mit einem gekrümmten Bauch, verbogenen Kopf oder mit Stummelbeinen wiedergab.
Nein, sie sah blendend darin aus, und das war das eine, was sie stolz machte.
Sie war halb verhungert, mit durchscheinenden Rippen und hässlich wie eine Vogelscheuche nach Malangoor zurückgekehrt, aber jetzt, etwas mehr als drei Monate nach ihrer Rettung, sah sie wieder richtig gut aus. Ihre schulterlangen, glatten schwarzen Haare glänzten wie früher, ihre niedliche Nase besaß wieder diesen ganz leicht rosigen Schimmer auf der Spitze, und ihr freches Grinsen strahlte auf gesunden Wangen und nicht auf eingefallenen, verzweifelten Gesichtzügen, mit denen sie noch vor zwölf Wochen – gefangen auf dem riesigen, toten Mutterschiff der Drakken – einem grasslichen Hungertod ins Auge geblickt hatte.
Nein, zum Glück war das ausgestanden.
Auch ihre Figur war wieder die alte. Roya blickte an ihrem Spiegelbild herab – und fand sogar, dass sie irgendwie noch besser aussah als früher. Nach all den Kämpfen, Strapazen und Abenteuern hatte ihr Körper etwas leicht Muskulöses, eine gewisse Sehnigkeit, so als befänden sich unter ihrer glatten Haut kräftige, sprungbereite Muskeln. Sie war wunderbar schlank und hatte einen festen Bauch; Marko hatte ihr gesagt, dass er ihre kleinen, mädchenhaften Brüste geradezu liebte – sie wären richtig süß – und dass er kein Freund von üppigen Busen wäre. Sie wusste nicht, ob er das nur ihr zuliebe sagte, aber es war inzwischen auch egal. Er hatte ihre Brüste oft genug liebevoll
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