Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
hier so eng war, dass er rechts wie links die Wände hätte
berühren können. Weit oben schwebte eine Drachenfeuer-Kugel,
und das an einem Ort, an dem so etwas eigentlich keinen Sinn
ergab. Hier kam nie jemand vorbei. Niemand außer ihm und
Roya. Kurz darauf erreichte er eine Stelle, von der aus man in
eine kleine Seitengrotte abtauchen konnte, die nur er und Roya
kannten, ein Ort, an dem sie sich für alle Zeiten hätten verstecken können. Eine kleine heiße Quelle sorgte für Wärme, und tief
in der Grotte gab es einen wundervollen Streifen aus feinem
Sand. Sogar Höhlenfarn und Mondgelb wuchsen in der Grotte,
seit Roya dort ein Drachenfeuer eingerichtet hatte. Als er an die
Stunden voller Zärtlichkeiten dachte, die sie dort miteinander
verbracht hatten, an einem Ort, der nur ihnen und sonst niemandem auf der Welt gehörte, stöhnte er schmerzvoll auf.
Hoffentlich ist sie dort!, flehte er. Wenn es einen Ort in dieser
Kolonie gab, der ein gutes Versteck bot und zugleich ein logischer
Treffpunkt war, dann dieser. Inzwischen nicht mehr ganz so
schnell, trieb er auf den Punkt zu, wo er ein kleines Stück abtauchen musste, um den geheimen Zugang zu erreichen. Er wartete
noch einen Moment, holte tief Luft und ließ sich hinabgleiten.
Der Zugang war breit und bot gute Haltemöglichkeiten. Als er
hindurchtauchte, schimmerte ihm schon das Drachenfeuer entgegen.
Sein Herz begann schneller zu schlagen. Mit kräftigen Zügen
tauchte er auf und durchbrach energisch die Wasseroberfläche.
Vor ihm lag die stille Grotte, ein Ort, den man nicht mehr verlassen wollte, war man einmal hier. Über dem Sandstreifen,
knapp unter der niedrigen Felsendecke, schwebte die gelb strahlende kleine Feuerkugel. Am Ufer hatte Roya in sorgsamer Arbeit
kleine, zarte Büsche von Mondgelb angepflanzt, der von großen
Höhlenfarnstauden überschattet wurde. Fleckige Pilze, deren Name Marko vergessen hatte, die man aber pflücken und essen
konnte wie Äpfel, wuchsen in den Zwischenräumen. Der Sand war
überall geebnet; unter einem flachen Überhang, gleich neben der
heißen Sprudelquelle, verbarg sich ihr geheimes Liebesnest. Weiter rechts gab es eine wundervolle Badestelle mit ein paar ins
Wasser ragenden Felsen, dahinter hatte Roya auf einem kleinen
Tisch ein paar Bücher gestapelt, dazu eine Wasserkanne und Obst
in einer selbst getöpferten Tonschüssel. Unter Wasser hatte sie
ein paar Pflanzen, Muscheln und eine Schatztruhe platziert, in der
sie sich gegenseitig kleine Geschenke hinterlegten. All die Dinge,
die Roya mit so viel Liebe hierher gebracht hatte, um ihr Versteck
noch schöner zu machen, kamen ihm vor wie Schätze, von denen
der geringste mehr wert war als alles Gold der Welt. Aber sie war
nicht da.
Er stieg aus dem Wasser, sah in alle Nischen und Ecken, konnte
sie aber nirgends finden. Hilflose Angst um Roya machte sich in
ihm breit. Noch nie hatte er einen Menschen so geliebt wie sie –
er wusste nicht, wie er es verkraften sollte, wenn ihr etwas zugestoßen war.
Mit einem Kopfsprung warf er sich wieder ins Wasser und kämpfte sich voran, bis er kurz vor der rückwärtigen Höhlenwand wieder untertauchte. Das Schwert behinderte ihn arg, aber er konnte
nicht darauf verzichten. Das erste Schattenwesen, das seinen
Weg kreuzte, hätte sonst seinen Tod bedeutet.
Er erreichte den kurzen Tunnel, tauchte hindurch und kam auf
der anderen Seite wieder hoch. Schon spülte ihn die Wasserflut
wieder voran. Im Augenblick gab es nur diesen einen Weg für ihn,
aber vielleicht hatte ja auch Roya ihn eingeschlagen. Die Halle der
Jungdrachen war für jede Drachenkolonie ein wichtiger Ort, den
es um jeden Preis zu schützen galt. Dort musste es auch einen
Wächterstein geben, und vielleicht war Roya dorthin geeilt, um
die Jungdrachen zu schützen! Neue Hoffnung durchströmte Marko, und er legte sich mitten in den Strom, um möglichst rasch
vorwärts zu kommen. Der Wasserfluss wurde wieder schneller
und flacher, und schon ging es durch einen weiteren Tunnel, wo
er ganz untertauchen musste.
Wo mochte der Malachista jetzt sein? Vielleicht hatte er Nerolaans Höhle schon erreicht. Einer Mörderbestie, die in Höhlen wie
diesen auf die Jagd ging, konnte wahrscheinlich kein Felsdrache
entkommen. Eine unvorstellbare Katastrophe, wenn Nerolaan
etwas geschehen wäre! Auch Tirao war inzwischen weit mehr als
nur einer unter vielen Drachen. Obwohl er offenbar schon einen
Malachista überwunden hatte, hätte er hier in den Höhlen
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