Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
Giacomo hier gewesen!
Kardinal Lakorta hatte sich erhoben, eine aufgeschlagene Mappe
in der Hand. »Bevor Ihr Drohungen gegen das Konzil aussprecht,
Exzellenz, solltet Ihr vielleicht erst einmal Stellung zu den Vorwürfen nehmen, die gegen Euch erhoben werden«, sagte er kalt.
»Stellung werde ich überhaupt nicht beziehen«, konterte
Ain:Ain’Qua ruhig. »Lest Eure Schrift vor, Lakorta.« Ain:Ain’Qua
stellte befriedigt fest, dass ihm hier keiner persönlich gewachsen
war, auch Lakorta nicht. Er konnte jeden Zweikampf gewinnen,
egal auf welcher Ebene. Kritisch wurde es nur, wenn es Lakorta
geschafft hatte, eine so geschickte Schmutzkampagne aufzubauen, dass es ihm gelang, die Mehrheit der Kardinalsversammlung
hinter sich zu einen. Doch so leicht war das auch wieder nicht.
»Sagt Euch der Name Ti:Ta’Yuh etwas, Heiliger Vater?«, fragte
Lakorta.
Ain:Ain’Qua stutzte. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet, nicht in Zusammenhang mit dem Vorwurf der Ketzerei. »Was
ist damit?«, verlangte er zu wissen.
»Ihr habt meine Frage nicht beantwortet, Exzellenz. Sagt Euch
der Name etwas?«
»Ich habe bereits erwähnt, dass ich keinerlei Fragen beantworten werde«, erklärte Ain:Ain’Qua. »Nun, wie Ihr meint. Es ist
auch gar nicht nötig, dass Ihr das beantwortet, denn es liegt eine
Beweiskette vor, die zu widerlegen Euch schwer fallen dürfte.«
Ain:Ain’Qua brummte ärgerlich. »Seht es, wie Ihr wollt, Lakorta.
Darf ich nun…«
»Kardinal Lakorta!«, korrigierte ihn sein Gegenüber.
Ain:Ain’Qua trat einen Schritt auf Lakorta zu und beugte sich
angriffslustig vor. »Der Titel Kardinal steht kirchlichen Würdenträgern zu, die im Glauben stehen! Ich werde Euch erst Kardinal
nennen, wenn ich annehmen darf, dass Ihr auch nur einen Hauch
einer Ahnung vom Glauben habt.«
»Ihr bezweifelt meinen Glauben?«, warf sich Lakorta in die
Brust. Er blickte entrüstet in die Runde und rief: »Habt Ihr das
gehört, werte Herren? Ich trage die Kardinalswürde, und dieser
Mann spricht mir den Glauben ab? Unerhört! Ich sage, das sind
die Worte eines Ketzers!«
»So?«, erwiderte Ain:Ain’Qua kalt lächelnd. »Dann nennt mir
doch einmal nur zwei der fünf Evangelien der reformierten Bibel
der Menschen!«
Lakorta erstarrte, und Ain:Ain’Qua hätte beinahe aufgelacht.
Dass er diesen Hochstapler so leicht kriegen würde, hätte er nicht
gedacht.
»Mamathäus und Lukash!«, presste Lakorta hervor. »Ah, gut!«,
lobte ihn Ain:Ain’Qua. »Ich hätte nicht gedacht, dass Ihr das Wissen Eurer Schlafschulung so schnell abzurufen vermögt. Nur drei
kleine Fehler hatte das Ganze.
Erstens hat die reformierte Bibel vier und nicht fünf Evangelien.
Zweitens hätte es keine fünf Sekunden dauern dürfen, die Ihr für
diese Antwort benötigt habt. Dieses Wissen ist so elementar, dass
es auf der Stelle hätte parat sein müssen.
Und drittens…«, setzte Ain:Ain’Qua sofort nach, als er sah,
dass Lakorta anhob, um etwas zu erwidern, »… drittens war mein
Versuch, Euch mit einer solchen Frage prüfen zu wollen, derart
lächerlich, dass Ihr Euch besser geweigert hättet zu antworten.«
Siegessicher blickte Ain:Ain’Qua in die Runde und sah, dass er die
Kardinale mit seinem Manöver beeindruckt hatte. »Im Übrigen
spricht sich der Evangelist Lukas und nicht Lukash.«
»Unerhört!.«, polterte Lakorta.
Ain:Ain’Qua schenkte ihm ein mitleidiges Lächeln. Die nur
schwer beherrschte Wut im Gesicht seines Feindes sprach Bande.
»Ich weigere mich«, rief Lakorta erzürnt, »mich von diesem
Mann ausfragen zu lassen! Es geht hier um eine Anhörung, und
Ihr habt nicht mich zu fragen! Sondern ich Euch!«
Ain:Ain’Qua seufzte milde. »Ihr begeht lauter Formfehler, Lakorta. Allein diese Anhörung ist einer.« Inzwischen war er sich
seiner Überlegenheit so sicher, dass er Lakorta dadurch demütigen wollte, dass er Zugeständnisse machte. »Also gut, Ihr Bibelfachmann. Ich gebe zu, dass ich den Namen Ti:Ta’Yuh kenne. Es
handelt sich dabei um einen umgebauten Atmosphärengleiter, ein
spezielles Schiff, das ich besaß.
Leider ist es im Aurelia-Dio-System havariert. Manchmal bringt
es mein Amt mit sich, dass ich inkognito bestimmten Dingen
nachforschen muss, wenn ich es für richtig erachte.
Dabei kam es zu einem Unfall. Darüber bin ich weder Euch noch
dem Heiligen Konzil Rechenschaft schuldig. Aber ich bin gespannt, wie Ihr mir daraus einen Vorwurf der Ketzerei stricken
wollt.«
Lakortas Augen blitzten kurz auf.
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