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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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beladen war und Spektor III verlassen hatte.
Langsam beruhigten sich die meisten Hühner wieder, flatterten
zurück auf ihre Stangen und gaben sich wieder ihrem Gepicke
und Gegacker hin. Manche lärmten weiterhin, als wären sie auf
alle Zeiten beleidigt, und andere taten so, als hätten sie gar
nichts mitbekommen. Sie kletterten auf Leandra herum oder pickten sie, sodass sie die Biester mit wütenden Bewegungen verscheuchen musste. Bald wurde ihr klar, dass sie ab jetzt, abgesehen von den Bruderschaftlern und den Drakken, mit einer dritten
Spezies auf Kriegsfuß stehen würde. Sie befand sich noch keine
fünf Minuten in diesem Käfig und war nervlich schon völlig am
Ende.
Nach einer halben Ewigkeit, in der sie sich nicht einmal mit Roscoe verständigen konnte, der in einem der anderen Container lag,
ertönten endlich Geräusche. Die Hallentür hatte sich geöffnet,
und es hörte sich so an, als kämen einer oder mehrere Verladeroboter herein.
Sie hatte Pech – es handelte sich um eine andere Fracht, die
abgeholt wurde. Bis zu dem Zeitpunkt, da tatsächlich die Hühner
verladen wurden, stand Leandra kurz davor, aus dem Container
zu fliehen und ihre fünfundzwanzigtausend Soli mit Griswold bis
ans Ende des Universums fliegen zu lassen.
Doch dann war es endlich so weit, und sie schöpfte Hoffnung.
Vielleicht konnte Griswold rasch starten – dann wären sie vielleicht schon in einer halben Stunde frei.
Die Hühner fingen wieder an zu gackern und zu flattern, als der
Container in die Höhe gehoben wurde. Übellaunig beobachtete
Leandra die Vögel und hatte den Eindruck, dass Hühner nicht aus
Angst oder Panik so ein Geschrei machten, sondern aus Protest
und Empörung. Sie kamen ihr auf einmal vor wie ein Volk alter
Dorfweiber, die sich das Maul über alles Mögliche zerrissen und
sich künstlich aufplusterten. In einem Plötzlichen Wutanfall packte sie eine Hand voll Stroh und warf sie nach den Plagegeistern –
was einen neuerlichen Proteststurm, Geflatter und Gekreische
hervorrief. »Blöde Mistviecher!«, fluchte sie und warf noch eine
Hand voll.
Mit einem plötzlichen Ruck kam der Container zur Ruhe.
»He! Was war das?«, hörte sie von draußen jemanden rufen.
Ihr Herz machte einen Satz, und sie erstarrte. »Ist da jemand
drin?«
»In dem Container?«, hörte sie eine andere Stimme.
»Witzbold. In diesem Mief krepierst du innerhalb einer Minute.«
Wie Recht du hast, dachte Leandra grimmig. Sie überlegte, ob
sie sich mit Magie ein wenig helfen könnte. Sie wusste einen
Schlüssel, mit dem man Blumen, Gräsern und Bäumen ihren ureigensten Duft entlocken konnte, aber dazu hätte sie eben dies
gebraucht: Blumen, Gräser und Bäume. Leider gab es hier nichts
dergleichen.
Der Verladeroboter nahm wieder Fahrt auf. Sie hoffte, dass
Roscoe noch in Ordnung war. Wenn einem in diesen Containern
aus irgendeinem Grund die Frischluft abgeschnitten wurde, würde
es schlimm enden.
Nach einer Weile wurden die Container in einen Rolltunnel verladen, in dem es dunkel wurde und ratternd weiterging.
Ein eigentümlicher Moment kam, als die Container durch einen
Verladeschlauch an Bord der Melly Monroe verfrachtet wurden.
Die Schwerkraft endete, und bis sie die Distanz zur Melly Monroe
überbrückt hatten, wurde es bitter kalt.
Die Hühner, der Schwerkraft vollständig beraubt, trieben mit
ausgebreiteten Flügeln, aber seltsam ruhig durch den Container.
Nur ein paar flatterten auf, doch das katapultierte sie so rasch
und unkontrolliert vorwärts, dass sie es instinktiv aufgaben.
Auch Leandra und das Stroh hoben sich vom Boden; sie hielt
sich an einer der Stangen fest. Nun hätte sie sich an dem wehrlosen Federvieh rächen können, und sie verspürte nicht wenig Lust
dazu. Dann aber dachte sie an das Geld, das sie für den Verkauf
bekommen würden, und daran, wie sie ihren Freunden ein Massaker im Hühnercontainer erklären sollte.
»Glück gehabt, ihr Bestien!«, zischte sie den Hühnern zu und
wandte sich von ihnen ab.
Sie wusste nicht genau, wann sie gescannt werden würden.
Roscoe hatte ihr geraten, sich nach dem Verladen in die Melly
Monroe möglichst nicht zu bewegen, bis zu dem Zeitpunkt, da die
Leinen gelöst waren und das Schiff Fahrt aufnahm. Leandra hielt
sich daran und konnte den Augenblick ihrer Befreiung aus dieser
Hühnerhölle kaum mehr abwarten. Immerhin wurde es wieder
wärmer, was aber auch den Gestank wieder anschwellen ließ.
Eine Schrecksekunde kam, als sie, bereits an Bord der

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