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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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schlug und all diese
Dinge in Erfahrung brachte.« Sie tippte sich schelmisch lächelnd
mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze. »Doch vor der schlauen
Leandra konnte er nichts verbergen. Ich habe ihm die ganze Sache aus der Nase gezogen.«
Roscoe und Griswold lachten auf.
»Dass wir eigentlich von der Oberfläche unserer Welt stammen,
haben unsere Gelehrten seit langem vermutet. Ich selbst hatte es
mir, schon als ich zwölf war, zur Aufgabe gemacht, mehr darüber
herauszufinden – über die Herkunft unseres Volkes. Ich meine,
wenn ich mal älter wäre.«
»Und nun bist du hier«, stellte Roscoe wohlwollend fest.
Sie musterte ihn. Es steckte ein wenig Überheblichkeit in seinen
Worten, aber das war nicht böse gemeint, und sie nahm es ihm
nicht übel. Für ihn war sie wirklich ein Mädchen von einer Barbarenwelt. Zwar brachte er ihr großen Respekt für das entgegen,
was sie vollbracht hatte. Aber sie war so etwas wie sein >kleines
Mädchen<; ein niedliches Ding, das er mit seiner überlegenen
Kraft beschützen wollte. Sie überlegte, ob es sein Denken als Angehöriger eines weit fortschrittlicheren Volkes war oder sein ganz
persönlicher Stil. Er war über die Maßen zärtlich und vorsichtig
gewesen, als er sie geliebt hatte. Es hatte ihr gefallen, so zartfühlend behandelt zu werden – aber noch wusste sie nicht, ob er sie
womöglich nicht wirklich für voll nahm, wenn es um andere,
handfeste Dinge ging. Victor war da ganz anders gewesen. Bei
ihm hatte sie nie das Gefühl gehabt, ein kleines Mädchen zu sein,
ein Anhängsel. Sie mochte Roscoe, hatte auch Lust, wieder von
ihm geliebt zu werden, hoffte aber, er möge verstehen, dass sie
ihm nicht als sein kleines Mäuschen überall hin folgen wollte. Sie
war es gewohnt, selbst Entscheidungen zu treffen, und würde
sich das ganz sicher nicht nehmen lassen.
»Was hast du, Griswold?«, fragte Roscoe. »Du siehst so nachdenklich aus.«
»Das mit den Drakken beschäftigt mich. Dass sie die Geschichte
von Leandras Welt so gut kannten.
Woher?«
Roscoe zuckte mit den Schultern. »Nach dem, was Leandra von
ihrer Welt erzählt, müssten auf der Oberfläche noch reichlich Ruinen und alte Relikte zu finden sein. Daraus kann man immer eine
Menge schließen. Vielleicht haben die Drakken sie gefunden und
erforscht.«
Griswold nickte bedächtig. »Dann passt ja alles eigentlich ganz
gut zusammen.«
»So? Wie meinst du das?«
»Nun, vor etwas mehr als sechstausend Jahren brach die
Menschheit zu den Sternen auf. Damals machten sich viele kleine
und große Kolonistenschiffe selbständig und besiedelten alle möglichen Welten tief im All. Einige sah man nie wieder, sie verirrten
sich schlichtweg im Gewirr der Sterne. Manchmal wurden solche
Welten Jahrtausende später wiederentdeckt; oft waren sie technologisch ins Mittelalter oder gar in die Steinzeit zurückgefallen.
Das passierte immer dann, wenn der Kontakt zur Heimatwelt völlig abgerissen war. Ohne Nachschub an Ersatzteilen, Waren oder
Nachrichten waren kleine Bevölkerungen nicht in der Lage, ihren
Stand in Sachen Technik zu halten. Aus Ingenieuren und Technikern wurden auf diese Weise wieder Bauern und Jäger. So ähnlich
dürfte es auf deiner Höhlenwelt auch gewesen sein, Leandra.«
Leandra hatte ihm fasziniert gelauscht. »Glaubst du? Aber was ist
mit dem Krieg? Zu dieser Zeit müssten die Menschen doch noch
eine bedeutende Technik gehabt haben.«
»Richtig. Aber häufig ist es ja gerade ein Krieg, der den Wendepunkt darstellt. Der Krieg bringt nicht nur Leute um, sondern ruiniert auch den Stand der Entwicklung.«
»Die Oberfläche der Höhlenwelt wurde so sehr zerstört und verseucht«, berichtete Leandra, »dass dort niemand mehr leben
konnte. Zum Glück fanden achthundert Menschen den Weg in die
Tiefe.«
»Achthundert?«, fragte Griswold verwundert. »Woher weißt du
das so genau?«
»Ich habe einmal etwas ganz Besonderes gefunden.
Leider habe ich es nicht bei mir. Es ist ein kleines Büchlein, eine
Art Tagebuch. Es war in Anglaan verfasst, einer uralten Sprache,
die heute niemand mehr bei uns spricht. Aber der Primas meines
Ordens ist ein Gelehrter, und er konnte es übersetzen.« Sogar
Rasnor konnte es, erinnerte sie sich mit einem faden Geschmack
auf der Zunge. »Es war ein Bericht von einem der Achthundert –
wie sie durch Zufall den Weg in die Tiefe fanden. Es waren spielende Kinder, die vermisst wurden – und sie hatten den Weg entdeckt. In dem Büchlein lag ein gefaltetes

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