Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
geschlagen. War es einfach nur ein Naturtalent,
dass ihm das gelang? Er wusste es nicht. Er wollte diese Macht
nicht, aber in dieser Nacht brauchte er sie. Er benötigte sie in
zehnfachem Maße, denn er würde sich, allein durch Shaani unterstützt, mit mehr als einem halben Dutzend riesiger Drachen
anlegen – wie viele es genau waren, wusste er nicht. Tirao und
Nerolaan mussten, wenn es losging, alles geben, um in kürzester
Zeit so viele Leute wie nur möglich nach Okaryn hinaufzuschaffen. Hoffentlich fand sich am Berghang ein günstiger Startplatz
für die Felsdrachen.
Mit einer tonnenschweren Last im Herzen schritt er voran. Würde Azrani ihn noch lieben können, wenn er heute das Unmögliche
vollbrachte und die Drachen in die Flucht schlug? Daran, sie zu
töten, mochte er gar nicht denken. Ein so riesiges Wesen wie einen Drachen umzubringen, erschien ihm eine gewaltig schreckliche Tat; die Kreuzdrachen von damals lagen ihm heute noch im
Magen. Er war so winzig gegen sie, und doch vermochte er eine
solche Macht gegen sie heraufzubeschwören. Nein, er wollte so
nicht sein.
Aber heute muss ich es!
Er hatte sich vorgenommen, aus dem Verborgenen heraus zu
kämpfen. Seine Winzigkeit gegenüber einem Drachen musste
heute seine Waffe sein. Vielleicht flohen die Kreuzdrachen, wenn
keiner ihrer geistigen Führer mehr da war, kein Abon’Dhal. Es
würden vier, aber eher fünf Abon’Dhal auf Okaryn sein und ebenso viele Abon’Thul. Ihm wurde immer flauer, als er daran dachte.
Vorerst galt es, Azrani zu retten und natürlich Laura und Marina; alles andere kam danach. Dafür musste er seine gesammelten Kräfte aufbieten, und irgendetwas sagte ihm, dass er es
schaffen konnte – zusammen mit Shaani. Solange kein Malachista
ins Spiel kam, konnte Shaani allein schon zweien oder dreien der
großen Drachen ordentlich einheizen, das hatte sie selbst gesagt.
Um die anderen musste er sich kümmern.
Was das für ihn und Azrani bedeutete, konnte er nicht sagen.
Aber wenn er nicht seine ganze Kraft einsetzte, würde er sie nie
wieder sehen. Er hoffte, dass sie überhaupt nach Okaryn hereinkamen. Wenn die Mädchen dort oben Meados in die Klauen gerieten, gab es keine Hoffnung mehr.
26
Drakkenpatrouille
Leandra träumte.
Alle ihre Schwestern waren da, auch ihre wirkliche Schwester,
dazu noch viele Freunde. Sie hatten ulkige Tiergesichter andere
ungewöhnliche Körpermerkmale, wie kleine, ihrer und Schwänze,
Flossen oder Hörner, und trotzdem wusste sie, wer es war. Es
waren auch Drachen da, aber die hatten seltsamerweise menschliche Gesichter, und sie waren die Einzigen, die sprechen
konnten. Alle anderen quietschten, brummten, kläfften oder heulten, aber das tat der guten Stimmung keinen Abbruch. Im Gegenteil. Alle waren prächtig gelaunt, man feierte ein großes Wiedersehensfest, und sämtliche Feinde waren nicht einmal mehr
einen Gedanken wert; sie schienen allesamt besiegt zu sein. Sie
selbst sah sich als eine gehörnte Katze, die leise schnurrend und
in bester Stimmung durch die Reihen der Anwesenden schlich und
hier und dort wissende Blicke mit anderen tauschte, deren Auffassung oder Gedanken sie wie selbstverständlich teilte.
Plötzlich kam sie an einen Ort, wo sich ein Korridor vor ihr öffnete, einer, der in ein seltsames Dunkel führte. Jeder ihrer
Freunde ignorierte ihn völlig – alle taten so, als ginge sie dieser
dunkle Tunnel nichts an. Doch sie spürte, dass an seinem Ende
eine Wahrheit lag, die zu erfahren wichtig für sie war. Sie musste
herausfinden, was dort lag.
Das Wort Pusmoh glitt ihr durch den Kopf, das erste konkrete
Wort aus der realen Welt, das ihr seit Beginn des Traumes unterkam, und ein kühler Schauer wischte ihre gute Stimmung fort.
Hinter ihr verebbten das Fest und die Ausgelassenheit, alle schienen sie zu beobachten, wollten wissen, was sie tun würde. Sie
hätte es gern erzählt, aber plötzlich erwies sich ihre Unfähigkeit
zu sprechen als entscheidendes Hindernis. Gesichter starrten sie
an, denen sie nicht sagen konnte, was sie bedrückte, was sie
dringend loswerden musste… Doch endlich erkannte sie eines,
das Verstehen ausdrückte. Es war grünlich, mit dunklen Augen,
hellgrün leuchtenden Pupillen, und es hatte keine Nase… Der Name der zugehörigen Person wollte ihr aber nicht einfallen. Ja, es
war ein Ajhan…
Sie erwachte.
Neben ihrer schmalen Koje, die an der Wand befestigt war,
piepste es leise. Sie schlug die Augen auf, blickte verstört wegen
ihres
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