Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
Frachtschiff, und was passierte, wenn man sich mit so einem Monstrum den Anweisungen der
Drakken widersetzte, hatten sie mit der Moose erlebt. Roscoes
früheres Schiff trieb inzwischen nur noch als ein zerstörtes Wrack
hier irgendwo im Asteroidenring herum. Kurz fiel Leandra Sandy
ein, die erstaunlich menschliche Bordintelligenz der Moose. Es
war damals wie der Tod einer guten Freundin gewesen, als sie
zusammen mit der Moose untergegangen war.
Das kam Leandra wie ein Fingerzeig vor. Wenn sie nun den Ruf
des immer noch piepsenden Transponders entgegennahm, würde
sie die Drakken womöglich auf die Melly Monroe aufmerksam machen, und die zweite Katastrophe war perfekt. Nein, lieber wollte
sie allein in den Untergang gehen, als auch noch Darius und Giacomo mit sich zu reißen. Doch dann fiel ihr die Magie ein.
Ja, sie besaß ein Wolodit-Amulett, und die Magie war eine
mächtige, ja sogar gemeine und hinterlistige Waffe, wenn es sein
musste. Sie konnte sich von den Drakken gefangen nehmen lassen und dann, an Bord des Drakkenschiffs, zum Angriff übergehen.
Ihre Gedanken rasten, während von draußen unablässig das
grelle Licht durch die große Panoramascheibe hereinschien. Wenn
sie das wirklich wagen wollte, würde sie Darius und die Melly
Monroe brauchen. Ein Angriff auf die Drakkenbesatzung würde
keinen Sinn machen, wenn sie anschließend hier nicht mehr fortkam. Doch was war, wenn auch Menschen mit an Bord waren?
Noch immer besaß sie nicht die Kaltblütigkeit, jemanden hinterrücks zu ermorden, selbst wenn es die verhassten Drakken waren, und bei dem Gedanken, einen Menschen zu töten, sträubte
sich in ihr alles.
Der RW-Transponder piepste weiterhin, Leandra überlegte angestengt, was sie tun sollte. Der Gedanke, dass sie durch ihre
magischen Fähigkeiten nicht völlig hilflos war, gab ihr ein wenig
Mut. Auf allen vieren kroch sie zu ihrem Schlaflager, langte nach
dem Transponder und zog sich sofort wieder in den Schatten zurück. Der war inzwischen auf die andere Seite der Brücke gewandert, denn die Faiona hatte sich in den letzten Minuten im Verhältnis zu dem Drakkenschiff etwas gedreht. Ängstlich öffnete
Leandra den Transponder. Noch für eine ganze Weile starrte sie
unentschlossen auf den winzigen Holoscreen, auf dem ein Glöckchen vibrierte; es sah so räumlich aus, dass sie meinte, es anfassen zu können. Tat sie das Richtige, wenn sie den Ruf entgegennahm? Vielleicht waren es ja die Drakken aus dem Schiff dort
draußen! Plötzlich verstummte der Transponder.
»Nein, Darius, nein!«, rief sie entsetzt und drückte auf die Taste. Doch das Glöckchen blieb verloschen.
Ruhig, mahnte sie sich, bleib ruhig.
Sie suchte neues Vertrauen zu sich selbst zu gewinnen, besann
sich darauf, dass sie Leandra war, die Leandra aus der Höhlenwelt, die wahrlich schon gefährlichere Situationen als diese gemeistert hatte.
Das kleine Gerät begann erneut zu piepsen.
Nun war sie völlig verwirrt. Ein neuer Anrufer? Befangen drückte
sie die Taste.
»Leandra?«, hörte sie eine leise, piepsige Stimme.
Verwirrt starrte sie das Gesicht auf dem kleinen Holoscreen an;
es war weder Darius noch Giacomo, aber auch kein Drakken…
»Ain:Ain’Qua!«, rief sie.
Das Ajhangesicht lächelte.
»Ich meine… Heiliger Vater! Wo seid Ihr?« Ängstlich blickte sie
zum Panoramafenster hinaus, wo noch immer das Drakkenschiff
schwebte und mit seinen Außenscheinwerfern zu ihr hereinleuchtete. »Ihr müsst aufpassen«, flüsterte sie, »die Drakken sind hier
bei mir. Falls Ihr in der Nähe seid…«
»Das sind wir, Leandra!«, hörte sie. »Käpt’n Biko Mbawe und
ich – mit der Little Fish!«
»Was?«, ächzte sie.
»Außerdem ist es vorbei mit dem Heiligen Vater. Ich habe abgedankt. Aber das ist eine lange Geschichte. Lass uns erst mal
herein. Du hast da ja ein schickes Schiff. So eins hatte ich auch
mal.«
Leandra brachte vor Überraschung nur ein Gurgeln zustande.
*
Der Einfachheit halber war Leandra auf die Little Fish gewechselt; Ain:Ain’Qua hatte ihr angedeutet, dass sich der Käpt’n seines Schiffes eher schwer täte, in einen Raumanzug zu steigen
und sich durch enge Luftschleusenluken zu zwängen.
Für sie war das kein Problem. Sie war über die Maßen glücklich
und zugleich aufgeregt, Ain:Ain’Qua wieder zu sehen. Nach einem
kurzen Flug durchs All wurde sie von dem Ajhan in Empfang genommen und durchschritt staunend das seltsame, historisch anmutende Schiff. Selbst sie erkannte, dass diese
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