Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
holte Luft. Da kam mehr auf ihn zu, als er geahnt
hatte.
»Der Orden der Bewahrer«, fuhr Julian fort, »ist auf eine ganz
besondere Weise organisiert. Wir haben immer mit dem Problem
leben müssen, eines Tages entdeckt zu werden. Aus diesem
Grund ist das Wissen über unseren Orden, dessen Strukturen,
Geheimnisse, Archive und Standorte über viele Orte und Personen verstreut. Niemand von uns weiß alles.
Allein das Geheimnis des Sonnensaals ist unerhört kompliziert;
Sie haben nicht mal einen Bruchteil dessen gesehen oder verstanden, als Sie dort waren. Verstehen Sie, Ain:Ain’Qua? Das ist
unser Schutz gegen das Aufdecken unseres größten Geheimnisses: Ein Feind müsste all unsere geheimen Verstecke finden und
uns alle einfangen und zum Reden bringen, ehe er dahinterkommen könnte, worin das wahre Geheimnis des Ordens besteht. Wir
haben Vorsorge getroffen, dass dies unmöglich ist.« Ain:Ain’Qua
nickte bedächtig. »Eine kluge Vorgehensweise.
Ich hatte mich schon gewundert, dass sich ein so entscheidendes Geheimversteck wie der Sonnensaal seit Jahrtausenden kaum
drei Meter unterhalb unserer Füße im Dom von Lyramar befand.
Aber eines verstehe ich nun doch nicht: Wozu soll das alles dienen, wenn es doch so kompliziert ist, die einzelnen Stücke dieses
Mosaiks wieder zusammenzusetzen? Welches Geheimnis es auch
immer ist, von dem Sie da reden, Julian… wie kann es je wieder
ein Ganzes werden?«
Julian lächelte. »Das ist die zweite außergewöhnliche Eigenschaft der Struktur unseres Ordens. Zum rechten Zeitpunkt kann
das Muster der Verschlüsselung aufgebrochen werden – sofern
die einzelnen Wissensträger unseres Ordens, zum Beispiel Bruder
Giacomo oder ich, ihre Geheimnisse freiwillig preisgeben. Auf diese Weise ist es möglich, eine einzelne Person durch die verschlüsselten Strukturen zu lenken und sie so in die Lage zu versetzen,
das große Ordensgeheimnis zu lüften.« Er zuckte verlegen die
Schultern. »Ein Geheimnis, das ich selbst nicht kenne.«
»Aber was…?« Ain:Ain’Qua unterbrach sich. Natürlich, die Frage, welches Geheimnis das wäre, ergab keinen Sinn, denn Julian
wusste es nicht. »Also gut, dann frage ich anders herum. Es gibt
offenbar eine Möglichkeit, dieses ominöse Ordensgeheimnis aufzudecken, wenn die Informationen von den entsprechenden…
sagen wir: Hütern?… freiwillig preisgegeben werden…«
»Ja«, unterbrach Julian ihn nickend. »Hüter ist genau der richtige Ausdruck. Oder eben: Bewahrer. Es existiert eine Kette von
Bewahrern, und jeder von ihnen hütet eine bestimmte Information. Zusammengesetzt weisen sie den Weg zu dem Geheimnis
unseres Ordens. Der Holocube enthält nicht nur einen unendlichen Wissensschatz, sondern er ist zugleich auch der Schlüssel
und die Legitimation.«
Ain:Ain’Qua schüttelte verwirrt den Kopf. »Aber woher stammt
die Information… der Anlass, dass dieses Ordensgeheimnis jetzt
aufgedeckt werden muss? Wozu dient es? Kann es in der jetzigen
Situation helfen? Nützt es mir irgendetwas? Ich bin auf der Suche
nach Informationen über den Pusmoh, nach etwas, womit man
ihn unter Druck setzen kann, um die Repressalien gegen die Bürger der GalFed zu lockern. Sonst wird es binnen kurzem zu
furchtbaren, blutigen Aufständen kommen – das kann man leicht
absehen. Überall, an allen Ecken und Enden der GalFed bröckelt
es. Wir müssen…«
»Genau das ist der Daseinszweck des Ordens«, unterbrach Julian ihn mit einem Lächeln. »Seit Pater Johann Thorben unseren
Orden gründete, das war vor etwa dreieinhalb Jahrtausenden,
sammeln und arbeiten wir auf den Moment hin, da unsere Arbeit
dazu dienen wird, die Macht des Pusmoh zu sprengen.«
Ain:Ain’Qua verzog ungläubig das Gesicht.
»Dreieinhalb Jahrtausende? So lange besteht er schon? Kaum
zu glauben. Giacomo erwähnte das in seinem Brief an mich,
aber…«
»Er schrieb ihnen einen Brief?«
»Ja. Ich fand ihn im Sonnensaal, in einem der Archive.
Darin war ebenfalls dieser Pater Johann Thorben erwähnt.
Es ist mir ein Rätsel, wie Ihr Orden, Julian, über eine solche
Zeitspanne am Leben bleiben konnte. Einmal ganz abgesehen von
der Gefahr der Entdeckung. Das ist eine gigantische Zeitspanne.«
Julian nickte. »Ja, Sie haben Recht. Das war von Pater Thorben
so nicht geplant. Wir glauben, dass er vorhatte, innerhalb weniger
Jahre so viele Informationen zu sammeln, dass er damit sein
Vorhaben in die Tat umsetzen konnte. Doch das Ganze dauerte
viel, viel länger, als irgendjemand damals je
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