Hoelle auf Zeit
Ferguson fort: »Vor drei Jahren hängte er den Richterberuf an den Nagel. Seither wurde er in den Rang eines Großmeisters der Orange Lodge erhoben. Er steht sich ausgezeichnet mit der Regierung und hat den Sicherheitsdiensten in einer Anzahl von Fällen unschätzbare Hilfe geleistet.«
»Vor mehreren Jahren leitete er eine Untersuchung gegen gewisse Offiziere der Royal Ulster Constabulary, denen Fehl verhalten vorgeworfen wurde«, ergänzte Villiers. »Seine Er mittlungen bescheinigten ihnen eine blütenreine Weste.«
»Weißer als weiß«, bestätigte Ferguson. »Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß ihn das in RUC-Kreisen recht beliebt gemacht hat.«
Sarah starrte sie bestürzt an. »Ich verstehe wohl nicht, was Sie mir da sagen, oder vielleicht möchte ich es auch gar nicht.«
Egan gab ihr darauf die Antwort. »Es ist wirklich ganz ein
fach. Was sie Ihnen klarzumachen versuchen, ist, daß er aus Sicherheitsgründen ungestraft davonkommt. Die Tatsache, daß er, laut unserer Information, zudem ein Terrorist ist, gilt als lästiger Schönheitsfehler, mehr nicht.«
»Sie gehen zu weit, Sergeant«, wies ihn Ferguson scharf zu
recht.
»Wieso? Weil er die Wahrheit sagt?« Sarah schüttelte den Kopf und erklärte mit erhobener Stimme: »Ich kann das nicht glauben.«
Villiers unterbrach sie. »Tut mir leid, Sarah, es hängt wesent lich mehr daran, als du dir vorstellst.«
»Sie müssen einfach Vertrauen zu uns haben, Mrs. Talbot«, fügte Ferguson hinzu.
Sarah setzte ihre Tasse vorsichtig ab und stand auf. »Sie werden nichts unternehmen, stimmt’s?«
Ferguson entgegnete kalt: »Mrs. Talbot, hier ist Schluß. Von nun an ist dies Sache der Sicherheitsorgane, nicht Ihre. Auf grund meiner Befugnisse könnte ich Sie in die Vereinigten Staaten deportieren lassen. Diesen Weg wünsche ich nicht einzuschlagen. Ich warne Sie jedoch in aller Form vor jedem Versuch, das Land zu verlassen und nach Ulster zu fahren.« Und zu Villiers gewandt sagte er: »Sie sorgen dafür, daß Mrs. Talbots Name auf die schwarze Liste gesetzt wird für sämtliche Verbindungswege nach Irland, zur See und in der Luft.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Und am besten, Sie schließen diesen jungen Narren gleich auch mit ein.« Ferguson richtete sich nun an Egan. »Sie wissen genau, daß Sie nach wie vor der Militärgerichtsbarkeit unter stehen. Ich könnte Sie vor ein Kriegsgericht stellen, aber das widerstrebt mir zutiefst. Sie sind ein hervorragender Soldat, Egan, und ich bin altmodisch genug, um zu glauben, das sollte noch etwas gelten. Sie haben der Königin treu gedient.«
»Großer Gott«, sagte Sarah Talbot angewidert. »Nichts wie weg hier!« Und sie ging entschlossen zur Tür.
»Begleiten Sie sie, Sean«, drängte Villiers. »Wir sehen uns auf der Beerdigung.«
»Haben Sie wirklich ernsthaft vor, nach alldem sich dort blicken zu lassen?« Egan schüttelte den Kopf. »Sie sind ganz
schön kaltschnäuzig, Colonel, das kann ich Ihnen flüstern.« Und damit folgte er Sarah.
»Mein Gott, Leland Barry Chef der Sons of Ulster. Meinen Sie, das stimmt?« fragte Villiers.
»Ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln. Ich konnte den Mann noch nie ausstehen. Das Problem ist natürlich: Was kann man da machen? Die dortigen Verhältnisse sind ja nicht gerade normal zu nennen, Tony.«
»Ich weiß ja, Sir.«
»Nun denn.« Ferguson erhob sich und kam hinter dem Schreibtisch hervor. »Seien Sie nicht zu verzagt. Es findet sich immer ein Weg. Zunächst machen wir einen Sprung zum Ca vendish Square, und Sie buddeln alles aus, was wir über die Sons of Ulster haben. Das dürfte die Zeit bis zur Beisetzung gerade ausfüllen.«
»Sie gedenken hinzufahren, Sir?«
»O ja, Tony«, nickte Ferguson auf dem Weg zur Tür. »Nicht aus den üblichen Gründen des Anstands und Mitgefühls, wie ich zu meiner Schande gestehen muß, sondern weil ich unbe dingt noch einmal mit Mrs. Talbot reden muß oder, genauer gesagt, weil ich vermute, daß sie mich dringend sprechen will.«
Egan setzte Sarah in der Lord North Street ab und fuhr ins »Bargee«. Ida und der Schankkellner wollten gerade für die Mittagskundschaft öffnen. Als Egan hereinschaute, kam sie sofort zu ihm.
»Alles in Ordnung, Sean? Wo bist du gewesen?«
»Ich war geschäftlich unterwegs.«
»Ich hol dir was zu essen. Der Betrieb ist ja noch ruhig.«
»Nein, danke. Ich muß mich umziehen.
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