Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hoelle auf Zeit

Hoelle auf Zeit

Titel: Hoelle auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
ging zurück ins Wohnzimmer und entdeckte ein weite­ res Foto auf dem Kaminsims – wiederum Egan in Uniform und ein hübsches junges Mädchen, offenbar Sally: Klein, dunkel­ haarig, das sympathische Gesicht, im Halbprofil, blickte zu Egan auf, ganz Liebe und Hingabe.
      Die Küchentür öffnete sich, Egan und Ida kamen herein. Das Gesicht der alten Frau war vom Weinen verquollen. Als sie Sarah mit dem Foto in der Hand sah, nahm sie es ihr weg.
      »Sally, Schätzchen«, klagte sie und schaute Sarah an. »Ich bin nie dahintergekommen, was eigentlich passiert ist, was schiefging. Eben war sie noch in der Schule, siebzehn, das ganze Leben lag vor ihr. Sie hat sich über Nacht verändert. Wurde ein völlig anderer Mensch. Alkohol, Drogen, dann hat die Polizei sie verhaftet, weil sie auf den Strich ging. So ‘ne Schande. Selbst Jack schien sie nicht mehr in der Hand zu haben.«
      »Reg dich nicht auf, Ida«, beschwichtigte sie Egan. »Mach dir eine Tasse Tee und leg dich hin. Wir verabschieden uns jetzt.«
      »Jack war nicht etwa ehrlich besorgt, der wollte bloß den Schein wahren«, fuhr Ida fort. Und zu Sarah gewandt: »Sie gehörte nämlich nicht zur Familie.«
      Sie setzte sich, das Foto an die Brust gedrückt, und Egan nahm Sarah beim Arm. »Gehen wir.« Sie verließen den Raum und schlossen geräuschlos die Tür hinter sich.
      Sie stiegen in den Mini Cooper, und er brauste los in Rich­ tung Fluß, bog nach ein paar Minuten in eine schmale, von alten viktorianischen Lagerhäusern gesäumte Straße ein. Er hielt am Ende eines Piers mit Blick auf ein altes Dock und den Fluß.
      »Hangman’s Wharf. Hier lebt er. Er hat eine Wohnung im obersten Stockwerk des Lagerhauses dort.«
      »Sind Sie sicher, daß er daheim ist?«
      »Wenn nicht, probieren wir’s in seinem Club. ›Jack’s Place‹ heißt er. Sehr vulgäres Publikum. Schließt wieder eine Ihrer Bildungslücken. Haben Sie den Umschlag?«
      »Ja.« Sie reichte ihn herüber.
      »Gut. Spart Zeit. Sie bleiben hier. Ich muß zuerst mit ihm reden.«
      Egan stieg aus und entfernte sich. Sie sperrte die Wagentüren zu und wartete. Die Stille ringsum zerrte an ihren Nerven. Eine Sirene heulte auf, als ein Schiff vorbeifuhr. Hinter ihr ging Jago die Straße hinauf und bezog in einem dunklen Torweg seinen Beobachtungsposten, wobei er sich seltsamerweise als Beschützer fühlte.

    Egan fuhr in dem alten Lastenaufzug nach oben, keine Kabine, lediglich eine offene Plattform. Als er das Dachgeschoß er­ reichte, erwartete ihn bereits ein Mann Mitte Vierzig, mit verschränkten Armen, mindestens einsachtzig groß, schlottern­ der Anzug, hartes, grobknochiges Gesicht, klobige Pranken. Er war offensichtlich auf alles gefaßt, doch dann malte sich un­ gläubiges Staunen in seinen Zügen.
      »Du bist es, Sean. Ein gerngesehener Gast.« Der Aufzug hielt mit einem Ruck. »Hallo, Tully, wie geht’s, wie steht’s?«
      »Prima, Sean, einfach super.« Er umarmte ihn stürmisch. »Is ja ‘ne Ewigkeit her. Jack redet ununterbrochen von dir. Du hast ihn schwer gekränkt, wie du nur mit Ida zur Ordensverleihung ins Schloß gegangen bist.«
      »Ich hab ihn beim letztenmal mitgenommen, stimmt’s nicht? Ist noch jemand hier?«
      »Gordon. Du erinnerst dich doch an Gordon Varley? Er ist jetzt als Fahrer bei Jack. Der hat ihn zum Chauffeurskurs bei Rolls-Royce geschickt.«
      »Das alte Lied«, bemerkte Egan. »Alles immer noch auf Hochglanz poliert. Wo ist Jack?«
      »Drüben am anderen Ende. Der wird ganz weg sein.«
      Er öffnete eine Tür und geleitete ihn in einen Korridor. Ein dunkelhäutiger Mulatte, eine kleinere Ausgabe von Tully, erschien in der Küchentür. Er war in Hemdsärmeln und trock­ nete einen Teller ab.
      »Heiliger Strohsack, du bist’s, Sean«, rief er verblüfft.
      »Hallo, Gordon. Schöner bist du auch nicht gerade gewor­
    den«, warf Egan im Vorbeigehen hin.
      Sie betraten einen riesigen Raum, der ursprünglich das ge­ samte Obergeschoß des Lagerhauses ausgemacht hatte. Reihen von Eisenträgern stützten die weißgetünchte Decke ab. Den Dielenboden hatte man abgeschliffen, dann abgebeizt und versiegelt. Überall lagen teure chinesische Teppiche, und auf der rechten Seite stand ein fast zwei Meter hoher Buddha aus Bronze, in weißes Licht getaucht, in einer Nische. Das chinesi­ sche Element überwog eindeutig – überall Skulpturen, Gerät­ schaften, seidene Wandbehänge, Lackschirme in

Weitere Kostenlose Bücher