Hoelle auf Zeit
passiert?«
»Ein Mann hat eingegriffen und zwei von ihnen niederge
schlagen.«
»Und weiter?«
»Keine Ahnung. Ich bin getürmt.«
»Er muß was auf dem Kasten gehabt haben«, meinte Jock. »Aber so jemand wird Ihnen höchstwahrscheinlich nie wieder über den Weg laufen, denn meistens hilft Ihnen in solchen Fällen kein Mensch. Im Gegenteil, alle verdrücken sich schleu nigst.«
»Was tue ich dann also?«
»Sie müssen so gemein und niederträchtig wie nötig reagie
ren. Der Typ Mann, der Sie überfällt, greift zunächst vielleicht nur nach Ihrer Handtasche, hat aber letztlich Vergewaltigung im Sinn. Deshalb benutzen Sie Fingernägel, Bleistiftabsätze, drücken ihm den Daumen ins Auge – jedes Mittel ist recht.«
»Gut, und womit fange ich an?«
»Unter uns Erwachsenen – die empfindlichste Stelle beim Mann sitzt zwischen den Beinen. Ein kräftiger Tritt in die Schamgegend ist nicht zu übertreffen. Los, versuchen Sie’s mal bei mir mit einem Kniestoß.«
»Ich glaube, das könnte ich nicht.«
»Und ob Sie das können! Ich trage da nämlich einen Schüt
zer, während einer, der auf Vergewaltigung aus ist, gleich zur Sache kommen würde.« Und schon packte er zu. »›Zier dich nicht, Puppe, sei ein bißchen nett zu mir‹, würde er sagen. Er rechnet nicht damit, daß eine attraktive Frau wie Sie aggressiv reagieren könnte – darin liegt seine Schwäche.« Sie keuchte jetzt, von seiner enormen Kraft erdrückt. »Mach schon, ramm ihm das Knie in die Eier!« brüllte er, zog sie noch dichter heran, so daß sie seinen heißen Atem auf ihrem Gesicht spürte.
Einen Augenblick lang erfaßte sie panische Angst, als sie sich aus der Umklammerung zu befreien suchte, und dann wallte etwas anderes in ihr auf, eine rasende Wut, ein blinder Haß auf alles Männliche. »Du Schwein!« schrie sie und stieß ihm mit aller Kraft das Knie zwischen die Beine, prallte schmerzhaft gegen den Plastikschützer.
»Fabelhaft.« Er hielt sie lachend an den Schultern. »Perfekt. Genau ins Schwarze getroffen. Er hegt auf dem Rücken, und Sie sind auf und davon.«
»Ich hätte es nicht für möglich gehalten, daß ich so was tun könnte«, japste sie, noch immer unter Adrenalineinwirkung.
»Das kann jeder. Das ist der Überlebenstrieb, Mädchen. Da spricht nur noch der reine Instinkt und die Bereitschaft, mit allen erforderlichen Mitteln zu kämpfen. Das sitzt in uns allen, bei den meisten tief verborgen, es muß nur herausgelockt werden. Jetzt das Ganze noch mal.«
Sie arbeiteten mindestens eine halbe Stunde an dieser einen simplen Technik. Dann führte Jock White sie einen Schritt weiter.
»Körperlich sind Sie einem Mann niemals gewachsen. Das ist eine Tatsache, also gilt für Sie immer, die richtige Methode anzuwenden. Sie haben zum Beispiel längere Fingernägel. Wenn er Sie nun mit den Armen umklammert, packen Sie seine Unterlippe mit beiden Händen, graben die Nägel tief ein, machen dann eine Drehbewegung, als ob Sie etwas zerreißen. Glauben Sie mir, die Schmerzen sind höllisch und betäuben ihn garantiert so lange, bis Sie Ihr Fahrrad bestiegen haben.« Er lächelte. »In diesem Fall würde ich es begrüßen, wenn Sie mich behutsam anfassen.«
Sie schaffte es sekundenschnell, daß er vor Schmerz aufbrüll te. Egan applaudierte. »Du hast es mit einem Naturtalent zu tun, Jock.«
»Halt die Klappe!« Jock zuckte zusammen. »Sachte, Mäd chen, nicht so grob. Ich bin auch nicht mehr der Jüngste.«
Sie übte ungefähr zwanzig Minuten, ehe er zufrieden war. »Wie schon gesagt, als Frau können Sie sich jeden Versuch ersparen, ihm einen Kinnhaken oder so was zu verpassen. Aber wenn Sie die Faust ballen und den mittleren Knöchel scharf vorspringen lassen, können Sie überall höchst schmerzhafte Schläge landen.« Sie machte es ihm nach. »Ausgezeichnet. Damit trifft man anscheinend jedesmal den Nerv, unterm Kinn, an der Kehle, an den Schläfen. Ach ja, auch unter der Nase. Die Scheidewand ist sehr empfindlich. Kommen Sie hierher.«
Er stand hinter dem wuchtigen Punchingball und hielt ihn fest. »Ballen Sie beide Fäuste und schlagen Sie zu.«
Sarah griff vehement an. Egan stand gähnend auf. »Ich leg mich jetzt hin.«
»Faulpelz!« brummte Jock.
»Gute Nacht, Sean«, rief Sarah ihm nach.
Egan überquerte den Hof, blieb stehen und atmete die salzige Luft ein. Es war Halbmond, eine sternklare Nacht, ganz
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