Hoelle auf Zeit
zwingende Gründe, es lohnt sich immer, mit irgendwas hinterm Berg zu halten. Eins steht jedenfalls fest – der Kerl gehört zu Group Four. Villiers lügt. Es ist durchaus einleuchtend, daß er jemand beauftragt, ein Auge auf Sie zu haben.«
Er steuerte den Mini Cooper in eine Seitenstraße nahe bei Camden Lock und bog dann abermals ein in eine Straße na mens Water Lane. Sie war von viktorianischen Terrassenhäu sern gesäumt und vollgeparkt. Egan stellte den Wagen auf einem winzigen Fahrweg beim letzten Haus ab, das den Kanal überblickte.
»Hier ist es!« Er stieg aus, ging zur Tür und klopfte.
Ein Mann öffnete, hochgewachsen, schmächtig, um die Sechzig, eisengraues Haar und ergrauender Bart. Er trug eine blau-weiße Fliege und eine marineblaue Strickweste mit Schalkragen. In der linken Armbeuge hielt er eine dunkelbrau ne Birmakatze.
Er lächelte erfreut. »Sean, mein lieber Junge.« Er wollte ihn umarmen, die Katze immer noch fest an sich gedrückt. »Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt?«
»Ach, überall und nirgends. Ich möchte dich mit Mrs. Sarah Talbot aus New York bekannt machen.«
»Freut mich sehr, Mrs. Talbot.« Er hatte einen leichten York shireakzent und eine sehr angenehme Stimme. »Und das ist Samson, der schwächlichste, dümmste Kater der Gegend, daher der Name.«
»Alan, wir brauchen deine Hilfe«, erklärte Egan.
»Dafür hat man ja seine Freunde«, antwortete Crowther. »Wollt ihr nicht reinkommen?«
Jago hatte den Landrover weiter unten in der Straße geparkt und das meiste mitgehört. Danach rief er Smith an, der sich binnen zehn Minuten meldete.
»Wie ist das Wochenende verlaufen?« erkundigte sich Smith.
»Bestens. Sie haben die Zeit damit verbracht, sie auf Selbst
verteidigung zu trimmen. Um ein Haar wäre sie im Sumpf ertrunken, als die Flut sie erwischte. Zum Glück war ich zur Stelle und konnte sie gerade noch rechtzeitig rausfischen.«
»Sie hat Sie gesehen?«
»Nur kurz.«
»Das schmeckt mir nicht.«
»Sie können nicht beides haben, alter Junge. Schließlich soll
te ich doch auf Ihren ausdrücklichen Wunsch dafür sorgen, daß ihr oder Egan nichts zustößt. Als wichtige Tatsache wäre noch zu erwähnen, daß ich nach Egans Überzeugung eine von Vil liers’ Kreaturen aus Group Four sein muß.«
»Das ist immerhin ein Pluspunkt, schätze ich. Wo sind Sie jetzt?«
»Water Lane, Camden. Sie besuchen dort Alan Crowther, der in DI5 für Computerforschung zuständig war. Ich werde eine Weile mithören und Sie anrufen, falls sich etwas Neues er gibt.«
Er legte den Hörer auf, setzte sich zurück und stellte das Ra dio an.
Alan Crowthers Wohnzimmer war ziemlich klein, die Einrich tung vorwiegend viktorianisch; an den Wänden hingen zwei Gemälde von Atkinson Grimshaw, beide in den 1870ern ent standen. Das eine stellte das Embankment bei Nacht dar, das andere, ebenfalls ein Nachtstück, die Tower Bridge im Mond schein und eine Schonerbark, flußabwärts fahrend.
»Die sind wirklich hervorragend«, bemerkte Sarah.
Crowther, der auf einer Couch am Fenster saß und die Papie
re aus dem Umschlag las, antwortete nicht. Endlich blickte er auf, erst zu Egan, der ihm gegenüber Platz genommen hatte, dann zu Sarah. Sein Gesicht war traurig. »Es tut mir leid, Mrs. Talbot, aufrichtig leid.«
»Derart pure Niedertracht ist schwer zu begreifen«, sagte sie.
»Nicht für mich, leider.« Er wandte sich an Egan. »Was ist also passiert? Erzähl mir alles.« Egan schilderte den Verlauf der letzten paar Tage. Als er geendet hatte, fragte Crowther: »Und was willst du von mir?«
»Die Leute meines Onkels tun, was sie können, aber dir wäre es vielleicht möglich, das Verfahren etwas abzukürzen.«
»Und wie sollte das geschehen?«
»Nebenan in deinem Arbeitszimmer hast du eins der besten privaten Computersysteme Londons. Wozu bist du König der Hacker? Dring in die Zentraldatenbank von Group Four ein. Probier sämtliche Kniffe und hol alles raus, was sie an Infor mationen über diesen Fall gespeichert haben. Es könnte Ein zelheiten geben, die Villiers zurückhält.«
»Ferguson«, korrigierte ihn Crowther. »Tony ist ein guter Mann, Sean, aber er muß tun, was man von ihm verlangt – wie wir alle.«
»Du nicht«, widersprach Egan. »Du hast ihnen den Kram hingeschmissen.«
»Da gibt’s noch den Official Secrets Act. Wer so was
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