Hölle mit Vollpension
machten, sondern die ständige Anstrengung, die wachsende, unkontrollierbare Furcht in meinem Unterbewußtsein einzusperren. Eine Weile versuchte ich, die Augen zu schließen, aber dann sah ich nur immer wieder den verdammten Vampir mich mit seinen gelben Augen anfunkeln. Und wenn ich dieses Schreckensbild hinwegblinzelte, trat an seine Stelle das schwarze Pik-As.
Vielleicht war Boris’ Weg ins Vergessen doch der klügere? Ich sah zu meinem leeren Glas auf der Kommode hin und machte mir klar, daß es völlig aussichtslos wäre, Boris zum Teilen seines Vorrats überreden zu wollen. Das ließ mir nur die Wahl, noch einmal zur Bar im Wohnzimmer zu wandern und mich selbst zu versorgen.
Leise schloß ich die Schlafzimmertür hinter mir, schlich durch den Korridor und die Treppe hinunter. Die Halle unten lag im Dunkel, also tastete ich mich zu der Doppeltür ins Wohnzimmer, fand sie aber geschlossen und versperrt. Eine Weile stand ich nur da, lautlos vor mich hinfluchend, dann jagte mir ein schwaches Rascheln in meinem Rücken eine Gänsehaut ein. Hastig wirbelte ich herum und drückte mich eng an die geschlossenen Türflügel.
Die Treppe herunter stieg Trudi Lambert, einen prunkvollen silbernen Kerzenleuchter in der Hand. Sein flackerndes Licht fiel auf ihre weit offenen grünen Augen, in denen die Leere einer Schlafwandlerin stand. Sie trug ein knöchellanges weißes Nachtkleid aus dünnem Gewebe, das ihre vollen Formen keineswegs verhüllte. Schweigend beobachtete ich, wie sie durch die Halle zur Haustür schritt und dann den Leuchter abstellte, als sie den Schlüssel umdrehte und den Riegel zurückschob. Im nächsten Augenblick ging die Tür auf. Trudi bückte sich und blies die Kerze aus, dann schritt sie hinaus, die Tür hinter sich offen lassend. Automatisch folgte ich ihr hinaus in die vom Mond erhellte Nacht.
Sie wanderte um die Hausecke, über den gepflegten hinteren Rasen, ich in respektvollem Abstand hinterher. Dann hielt sie aufs Flußufer zu, etwa dorthin, wo ich früher am Abend an Land getaumelt war, und tauchte im Gebüsch unter. Noch zögerte ich, aber dann sagte ich mir, wenn sie wirklich schlafwandelte, war es meine Sache, sie vor Schaden zu bewahren. Also kämpfte ich mich durch das dichte Unterholz, bis ich plötzlich auf eine kleine Lichtung hinaustrat.
Mitten darin kniete Trudi Lambert, das Gesicht ins Gras gepreßt. Das weiße Nachtkleid lag, ein zerknittertes Häufchen, neben ihr, und das Mondlicht tauchte ihren nackten Körper in schimmernden Glanz. Dann rührte sich etwas in der Schwärze hinter ihr. Ein Schatten löste sich aus dem Hintergrund und bewegte sich langsam auf die reglose Frau zu. Als er ins Mondlicht trat, entpuppte er sich als menschliche Gestalt mit Kopf, Rumpf, Armen und Beinen. Gesichtszüge waren jedoch nicht zu erkennen. Der Kerl blieb bei der zusammengekauerten Trudi stehen, ein scharfer schwarzer Kontrast zu ihrer hellen Haut. Dann hob sich sein rechter Arm langsam hoch in die Luft und fuhr blitzschnell nieder. Ich erhaschte einen Blick auf die züngelnde Peitsche, den Bruchteil einer Sekunde, bevor das schwere Klatschen, mit dem sie Trudis bloßen Rücken traf, an mein Ohr drang.
Ein Knurren in der Kehle, rannte ich auf die Lichtung hinaus. Die schwarze Gestalt wandte sich zu mir um, vom Mondlicht voll beschienen, und blieb dennoch ein gesichtsloses schwarzes Wesen. Ich holte zu einem wilden Punch aus, den er mit fast verächtlicher Leichtigkeit unterlief, und dann traf mich etwas, das sich wie eine Stahlfaust anfühlte, seitlich am Hals. In dem Augenblick, während ich in die Knie brach, glaubte ich, der Kopf sei mir glatt von den Schultern gerissen worden. Dann folgte explosionsartig ein greller Schmerz, als die Stahlfaust auf meinen Nacken niederfuhr, und als nächstes kam nur noch dunkles Nichts.
Bis ich soweit war, wieder Interesse an meiner Umgebung zu bekunden, war die Lichtung leer. Eine Weile blieb ich sitzen, massierte mir vorsichtig den schmerzenden Hals und betastete sorgsam alle Muskeln, ob sie nicht zu Brei zerquetscht worden waren. Dann erhob ich mich und wankte zum Haus zurück. Absichtlich verbot ich mir das Nachdenken, denn ein malträtierter Hals war genug; warum sollte ich mir auch noch den Kopf zermartern? Als ich um die Ecke bog, schien das Haus völlig im Dunkeln zu liegen, und nichts hätte mir willkommener sein können. In diesem Augenblick hatte ich keinen dringenderen Wunsch, als ins Bett zu fallen und zu schlafen. Morgen war auch noch
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