Hölle unter Null Grad
unzählige Einzelheiten zur Sprache, die vorher so nebensächlich und unbedeutend erschienen waren. Nun erwiesen sie sich von unschätzbarem Wert, da es praktisch keine Lücke gab.
Nach etwa zwanzig Minuten begann Leferts plötzlich kreischende Laute auszustoßen. Schließlich sang er mit mißtönender Stimme ein Weihnachtslied, und das sagte mir genug.
Verhalten fluchend eilte der Arzt nach vorn, obwohl er wissen mußte, daß nur noch eine klinische Behandlung von langer Dauer helfen konnte.
Leferts war einer Bewußtseinsspaltung verfallen, die sich hier an Bord des Kreuzers keinesfalls beseitigen ließ.
Ich mußte unwillkürlich an die Worte des Alten denken, daß wir im Zuge unserer der Sicherheit der westlichen Welt dienenden Aufgabe vielleicht einige Gangster unangenehmen Geschehnissen aussetzen müßten.
In mir kamen Zweifel auf, ob die Befehle richtig gewesen waren, Leferts mochte ein Verbrecher sein, der ins Zuchthaus, wahrscheinlich sogar in die Gaskammer gehörte. Seine soeben erfolgten Aussagen hätten ausgereicht, ihn zur lebenslänglichen Zwangsarbeit auf dem Mond zu verurteilen. Der Chef schien das gewußt zu haben, denn Hannibal hatte ganz bestimmte Befehle zur Auswahl der Besatzung erhalten. Trotzdem war Leferts ein Mensch.
Ich wollte nicht länger darüber nachdenken. Mein Haß richtete sich gegen die skrupellosen Gegner, die größtenteils in den USA geboren worden waren. Allein die Tatsache, daß sie als Besatzungsmitglieder auf einem asiatischen U-Kreuzer fuhren, hätte nach dem Sicherheitsgesetz von 1991 ausgereicht, sie sofort zum Tode zu verurteilen. Wenn sie von unseren Leuten gefaßt wurden, konnten sie auf keine Milde hoffen.
Der Arzt schien seinem Akzent nach ein Franzose zu sein. Seinen Namen hatte ich nicht erfahren. Aber das spielte keine Rolle mehr. Er spritzte kreislaufanregende Mittel, ehe drei kräftige Männer Leferts vom OP-Tisch hoben und aus dem Raum brachten.
Als mich der Chinese nachdenklich ansah, sagte ich mit verkrampftem Lächeln:
»Wenn Sie auf den Gedanken kommen sollten, mich ebenfalls mit dem Höllenzeug zu verhören, so lassen Sie sich gleich gesagt sein, daß Sie mich lebend nicht auf den Tisch bekommen. Ehe ich mich wahnsinnig machen lasse, ziehe ich die Magazinladung aus einer MP vor. Machen Sie mit Leferts von mir aus, was Sie wollen. Mich kriegen Sie nicht auf den Tisch.«
Bei den Worten ging ich langsam auf den mir am nächsten stehenden Mann zu.
Ich sah in ein erblassendes Gesicht. Eine hochruckende Mündung drohte gegen meine Brust. Hannibal ging dicht neben mir. Niemand sprach ein Wort. Der Mann mit der MP wich Schritt für Schritt zurück. Seine Zeigefinger bewegte sich am Abzug. Schließlich keuchte er:
»Bleiben Sie stehen. Verdammt, bleiben Sie stehen.«
Der Asiate begann leise zu lachen.
»Nicht übel, meine Herren, gar nicht übel. In Ordnung, ich kann Ihre Gefühle verstehen. Die Aussagen des Mannes genügen mir. Sie scheinen einwandfrei zu sein. Nehmen Sie die Waffe runter.«
Erleichtert ließ der Posten die MP sinken. Als der Blick des Chinesen nun auf Daroun fiel, brach dieser zusammen.
»Nicht, um Himmels willen nicht«, wimmerte er. »Ich habe auch alles gewußt. Ich kann nicht mehr sagen als Leferts. Spritzen Sie mir das Zeug nicht ein!«
Der Chinese überlegte einige Sekunden und sagte dann bestimmt:
»Sie werden ein schriftliches Geständnis ablegen. Sie übrigens auch. Satcher. Das gleiche gilt für Bopart. Die Geständnisse bleiben in unserer Zentrale. Ich halte Sie für intelligent genug, daß Sie keinen Blödsinn machen. Sie sehen hoffentlich ein, daß Sie in den Staaten schwere Strafen zu erwarten hätten, oder?«
Hannibal
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