Hölle unter Null Grad
wirkende Biosynth-Folie befand sich korrekt nach Vorschrift in meiner Tasche. Da ich den Anrufer aufgrund der durchgegebenen Kodenummer als TS-19, meinen Mitarbeiter und Verbindungsmann bei vorangegangenen Unternehmen, identifiziert hatte, seinen bürgerlichen Namen kannte ich noch immer nicht, war es mir erlaubt, auf die Gesichtstarnung zu verzichten.
TS-19 gehörte zu den wenigen »Schatten«, die mich ohne Maske gesehen hatten. Unsere früheren Einsätze hatten uns keine andere Wahl gelassen, so daß 4-Sterne-General Arnold G. Reling, der Chef der GWA, ausnahmsweise auf eine Sondergenehmigung eingegangen war.
Der Leutnant hatte ebenfalls darauf verzichtet, sein Gesicht zu »verhüllen«. Sein Anruf galt nur mir. Es war ausgeschlossen, daß ein anderer, vielleicht zufällig in der Nähe weilender Agent mein Rufzeichen hätte empfangen können. Jedes Gerät war gesondert abgestimmt.
Ich brachte das Mikroobjektiv noch dichter vor mein Gesicht und schaltete mit dem Daumen auf Sendung. Jetzt mußte in seinem Gerät der Bildschirm aufleuchten.
»Rufzeichen empfangen, Leutnant«, sprach ich in das Mikrophon. »Sehen Sie mich auf ihrem Schirm? Captain HC-9 spricht. Ende.«
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Seine Stimme erklang erneut aus dem Lautsprecher.
»TS-19, Sir. Empfang ist großartig. Ich habe also den Punkt ziemlich genau angeflogen, wo Sie sich befinden müssen.«
»Woher wissen Sie das? Haben Sie es im Hotel erfahren?«
Er nickte.
Das Bild wechselte für eine Sekunde. Ich konnte die Armaturen seines Hubschraubers erkennen. Leise vernahm ich das Geräusch der Turbine aus dem Lautsprecher.
»Jawohl, Sir. Man konnte mir nur nicht genau sagen, welchen Platz Sie sich ausgesucht haben. Deshalb mein Anruf. Können Sie mich einpeilen?«
»Einpeilen?« wiederholte ich abweisend. »Soll das etwa heißen, daß Sie mir Befehle überbringen? Vielleicht einen Einsatz? Hören Sie, TS-19, Sie haben mich einfach nicht erreicht. Fliegen Sie zurück. Im Sunshine-Hotel gibt es faszinierende Frauen, wohlschmeckende Getränke und wundervolle Aussichtsterrassen.«
Er setzte ein jungenhaftes Grinsen auf.
»Ich sehe mich gezwungen. Ihnen mein tiefstes Bedauern auszudrücken. Ich muß bei Ihnen landen. Keine andere Möglichkeit. Ansonsten bin ich ermächtigt, Ihnen als Beruhigungspille sofort eine gute Nachricht zu übermitteln. Darf ich Ihnen zur Beförderung zum Major gratulieren?«
Ich schloß aufstöhnend die Augen. Mein Kollege begann leise zu lachen.
»Wie war das?« erkundigte ich mich verstört. »Seit wann wird man bei unserem Verein befördert? Bedeutet das nun eine Anerkennung meiner Arbeit, oder will man mich seelisch für ein Himmelfahrtskommando rüsten?«
»Keine Ahnung, Sir. Ich möchte hier nicht sprechen. Unter mir ist jetzt ein hoher Wasserfall. Kann das der Bach sein?«
»Genau«, bestätigte ich. »Folgen Sie ihm stromaufwärts. Wenn ich Sie sehen kann, weise ich Sie ein. Ende.«
Ich schaltete ab. Das Fernbild verblaßte.
Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen. Hatte ich mich auch nicht verhört? Hatte mich der Alte tatsächlich befördert? Das war ein fast unvorstellbares Ereignis, wenn man bedenkt, wie zurückhaltend man in der GWA mit solchen Maßnahmen ist.
Ich stand auf und ging auf meine Maschine zu. Sie wartete in einem von hohen Felsen umgebenen Bergeinschnitt. Als ich mir die Wasserstiefel von den Beinen zerrte, hörte ich bereits das Singen einer schweren Gasturbine.
Ich hielt die Hände abschirmend über die Augen und sah nach oben. Schon nach dem ersten Blick wußte ich, daß TS-19 nicht nur besuchshalber in die Bighorn-Berge gekommen
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