Höllen-Mädchen
sei endlich vernünftig genug geworden. So stürmte er aus dem Schloß, wirbelte um seine eigene Achse, streckte den Finger aus und rief: »Mädchen!«
Er folgte dem Finger – und traf auf ein Mädchen in seinem Alter. Sie saß auf der gleichen Lichtung, auf der er vor Jahren den Weingummitopf gefunden hatte, und sie sah ausgesprochen hübsch aus. Er verliebte sich auf der Stelle in sie. Auch das ist typisch für einen Teenager. Weil er sie nicht gleich rücksichtslos angefaßt hatte, war sie auf ihn ansprechbar. Die beiden verbrachten eine wunderschöne Zeit zusammen. Sie tanzten, küßten sich und tauschten Geheimnisse aus. Doch dann wurde er zu fordernd: »Zeig mir dein Höschen!«
Sie lachte. Ärgerlich griff er nach ihr – und sie löste sich in Rauch auf, der davontrieb. Erst jetzt erkannte er, daß er nur auf eine andere Erscheinungsform der Dämonin Metria hereingefallen war, die sich einen Spaß aus seiner Unwissenheit gemacht hatte.
Da beschloß er, nie wieder einer Frau zu trauen, gleich welchen Alters und welchen Aussehens. Es wird behauptet, daß die Wut einer verschmähten Frau mit nichts anderem zu vergleichen ist, und Metria war das beste Beispiel dafür. Doch die Wut eines zurückgewiesenen Teenagers kam dem sicherlich nahe, (Ich habe selbstverständlich schon vor langem vergessen, daß auch ich einmal ein Teenager gewesen bin. Nicht, daß das irgendeine Rolle spielen würde.)
Zu der Zeit, als ich schließlich alles herausfand, war es bereits viel zu spät. Mein Sohn blieb hoffnungslos verbittert. Ich hatte keine andere Wahl, als ihn in die Fremde zu schicken, um Soldat zu werden, denn Haß ist ein Aktivposten in diesem Beruf. Genaugenommen hatte ich meinen Sohn verloren, worüber auch Sofia nicht besonders glücklich war.
Ich überprüfte den Schloßschutz, um sicherzustellen, daß nie wieder ein Dämon unbemerkt eindringen konnte. Nicht daß ich Vorurteile gegenüber Dämonen hätte – einige meiner besten Freunde waren Dämonen. Doch Metria war die Bosheit in Person. Zwar handelte sie niemals direkt böse und manchmal schien sie sogar wirklich anständig zu sein, doch konnte man nie vorhersagen, was letztendlich der Preis für ihren Übermut war. Offensichtlich ärgerte sie sich noch immer darüber, daß es ihr nicht gelungen war, mich zu verführen. Statt dessen hatte sie meinen Sohn verdorben. Ironischerweise war es aus Freundlichkeit geschehen, denn sie hatte ihn vor der notwendigen Erziehung in seiner Kindheit bewahrt. Ein Mangel an Disziplin mochte zwar für Dämonen typisch sein, doch bei Menschen führte er zur Katastrophe.
Trotz allem war es auch mein Fehler. Ich hätte wachsamer sein sollen! Ich hätte in die Erziehung meines Sohnes eingreifen müssen! Aber auch ich bin nicht vorbereitet gewesen, denn das Mädchen Taiwan hatte meinen ersten Sohn aufgezogen. Ich beschloß für den Fall, daß ich je wieder einen Sohn haben sollte, ein wirklicher Vater zu werden und eine Erziehung nicht anderen zu überlassen. Diesem Entschluß bin ich bis heute treu geblieben.
Aber jetzt will ich zu den Ereignissen zurückkehren, die mich damals so beschäftigten, als mein Sohn vom rechten Weg abkam. Diese Ereignisse hatten, wie sich noch zeigen wird, eklatante Folgen. Deshalb habe ich dafür ein eigenes Kapitel vorgesehen.
12
TRENT
Eines Tages kam Sofia zu mir. Ihr stand die Überraschung im Gesicht geschrieben. »Ein achtjähriger Junge nähert sich fröhlich dem Schloß!« rief sie mir zu. Mit einem Blick konnte sie – und das hatte sie mit allen Müttern gemein – das Alter eines Kindes und sein Wohlbefinden erkennen.
Ich blickte vom Buch der Antworten auf. Seit fünf Jahren hatte ich es studiert und erkannte allmählich seinen Nutzen. Offensichtlich waren die ersten Eintragungen von mir, ein anderer mußte sie hinterher systematisiert und Querverweise erstellt haben. Das war auch nötig, denn es gab einfach viel zu viele Eintragungen, als daß sie ohne eine Systematik zu nutzen wären. Aber selbst mit dieser Ordnung blieb es für jemanden schwierig, Gesuchtes zu entdecken, der sich nicht genügend mit dem Buch auskannte. Heutzutage konnte ich beinahe jede gewünschte Antwort binnen weniger Minuten finden, und mit mehr Übung würde ich noch schneller werden.
Immerhin hatte ich sehr viel Zeit darauf verwandt, Eintragungen zu lesen – unabhängig davon, in welcher Reihenfolge sie auftauchten. Was für eine unglaubliche Informationsfülle hatte ich in jenen vergessenen achtundzwanzig
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