Höllen-Mädchen
wieder. Kindern wurde damit gedroht, daß Mundanier sie holen würden, wenn sie nicht brav sind.
»Findest du Sofia denn so fürchterlich?« fragte ich.
Sofia war immer sehr freundlich zu ihm gewesen. Sie und ich hatten gleichermaßen verstanden, wie unentbehrlich Trent als künftiger König für Xanth werden könnte und ihn deshalb königlich behandelt. »Nein, aber…«
»Sie stammt aus Mundania.«
Er starrte mich an. Dieses Thema hatten wir bisher noch nicht berührt. Daraufhin begann er, seine Meinung grundlegend zu ändern. Er sprach nie wieder schlecht über Mundanier. Offen gesagt, möglicherweise heiratete sogar er irgendwann einmal eine Mundanierin, so wie ich es getan hatte.
Leider machte ich in seiner Ausbildung einen Fehler. Ich versäumte, ihm ausreichend klarzumachen, wie wichtig Rechtschaffenheit für einen Magier war – vor allem, wenn er auch noch König werden wollte. Irrtümlich bin ich davon ausgegangen, daß er genügend Redlichkeit besaß und hatte mich deshalb in erster Linie auf die praktische Ausbildung konzentriert. Dieser Irrtum sollte uns allen noch teuer zu stehen kommen – genauso wie mein Versäumnis, mich nicht um meinen Sohn gekümmert zu haben. Daß man immer erst lernt, wenn es zu spät ist!
Der nächste Besucher war eine verzweifelte Frau. Das Buch der Antworten hatte auch ihr die Prüfungen erlassen, obwohl sie keine Magierin war. Warum? Ich befragte zunächst die Frau, um die Hintergründe herauszufinden.
»Es geht um meine Tochter«, erklärte sie. »Sie ist erst sechs Jahre alt, aber es ist unmöglich, ihr Manieren beizubringen oder irgend etwas Vernünftiges mit ihr anzufangen. Sie ist überhaupt nicht mehr zu bändigen! Ich bin mit meiner Weisheit am Ende!«
Das war offensichtlich. Die meisten Menschen hatten ihre fünf Sinne ganz gut beisammen, doch diese Frau war mit den Nerven fertig. »Widerspricht sie denn häufig?« erkundigte ich mich.
»Nein, das nicht. Aber sie bringt ständig ihre Illusionen ins Spiel.«
»Sie hat Illusionen? Die haben viele Mädchen!«
»Aber nicht solche wie Iris! Sie erzeugt Trugbilder, die – oh, wie kann ich sie nur beschreiben – so verteufelt wirklich sind!«
Mir schwante Böses. Das Buch der Antworten sollte darüber Aufschluß geben. Es warnte mich immer dann, wenn magische Talente der Magierklasse im Spiel waren. »Können die Trugbilder denn nicht durchdrungen werden?«
»Nein, nicht in diesem Sinne. Es ist schwierig zu erklären. Wir können einfach nicht…, man wird so leicht zum Narren gehalten.«
Nach und nach bekam ich die ganze Geschichte zu hören und begriff die Zusammenhänge. Ihre Tochter war eine Zauberin der Illusionen. Eine Zauberin war im Grunde genommen nichts anderes als ein weiblicher Magier. Diese dämliche Unterscheidung hatte zur Folge, daß nur Magier – also Männer – König werden konnten. Mitgliedern der Zauberzunft war dies seit altersher per Gesetz verboten. Das war eine der Angelegenheiten in Xanth, die der Veränderung bedurften. Doch der herrschende König änderte das ganz bestimmt nicht!
Ich wußte genau, was zu tun war. »Bring deine Tochter hierher und laß sie für dich den Einjahresdienst ableisten. Ich werde ihr beibringen, wie sie ihre Kräfte sinnvoll einsetzen kann, und sie mit besseren Manieren zu dir zurückschicken.«
»Vielen, vielen Dank, Guter Magier!« Vor Glück liefen ihr Tränen übers Gesicht.
So kam es, daß die sechsjährige Iris ein Jahr bei uns verbrachte – ein Jahr, nachdem Trent uns verlassen hatte. Unser Sohn Crombie war ein Jahr jünger als Iris, doch im Gegensatz zu Iris war er eher in sich gekehrt. Damals erkannten wir noch nicht, daß er mit der Dämonin Metria einen Bund geschlossen hatte, denn die beiden waren bei ihrem Arrangement sehr vorsichtig vorgegangen.
Von Anfang an verstanden sich die beiden Kinder überhaupt nicht. Schon bald ging Iris Crombie aus dem Weg. Sie mußte früh die Erfahrung gemacht haben, daß Crombie durchaus imstande war, es ihr heimzuzahlen, wenn sie ihn mit ihren verblüffend echten Trugbildern ärgern sollte. Vermutlich hatte sie ihn einmal mit der Illusion eines Drachen geärgert, der ihn fressen wollte. Doch als sie in der besagten Nacht in ihr Bett stieg, setzte sie sich in einen matschigen Pflaumenkuchen. Und der war alles andere als eine Illusion! Sie mußte sich das klebrige Zeug abwaschen und die Bettücher wechseln. Natürlich verlor sie den Erwachsenen gegenüber kein Wort darüber, denn sie gehörte zur
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