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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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werden. Ein anderes Mädchen aus dem Dorf nahm ihren Platz ein. Natürlich war keines der Mädchen von diesem Dienst begeistert, aber ihrer Aussage zufolge war er die einzige Abwechslung im Dorf. Und vor allem waren ihre Familien auf das Wohlwollen der Leute vom Berg Parnaß angewiesen. Sie waren so bettelarm, wie es im ausklingenden Dunklen Zeitalter üblich war. In jener Epoche verfügte die Durchschnittsfamilie in Xanth gerade über das Einkommen eines Tagelöhners. Jede Möglichkeit, den Lebensunterhalt aufzubessern, wurde angenommen, wenn auch manchmal ungern, doch vor allem dann, wenn Früchte und Beeren abgeerntet waren und auch die Tortenbäume nichts mehr trugen.
    MähreAnne hatte eine Idee. »Warum befragen wir nicht das Orakel?« schlug sie vor. »Da die Antworten immer der Wahrheit entsprechen – vorausgesetzt, sie wurden richtig übersetzt – sollten wir herausfinden können, wie wir bei den Mänaden vorgehen müssen.«
    Ich wußte nicht, was ich von dem Vorschlag halten sollte, doch sie lächelte mich an – und wie immer stimmte ich ihr zu. Sie verstand es, ihre unschuldige Art wirkungsvoll einzusetzen. Also flogen wir zum Tempel des Orakels. Obwohl er sich bereits in einem baufälligen Zustand befand – etliche Mauersteine waren schon herausgebröckelt –, bot er dennoch ein imposantes Bild. Der Tempel lag direkt am Fuße des Bergs Parnaß, doch zu unserer großen Erleichterung waren weder die Mänaden noch die Python in der Nähe.
    Wir sprachen mit dem Oberpriester. »Selbstverständlich können wir eure Frage beantworten«, sagte er im Brustton der Überzeugung. »Was habt ihr als Bezahlung anzubieten?«
    »Bezahlung?« Für einen Augenblick verschlug es mir die Sprache.
    »Habt ihr etwa ernsthaft erwartet, diese wertvollen Auskünfte umsonst zu erhalten?«
    In der Tat war ich von nichts anderem ausgegangen, wollte es aber nicht zugeben. »Was verlangt ihr denn normalerweise?«
    »Was könnt ihr uns bieten?«
    Der Verlauf, den unser Gespräch nahm, gefiel mir ganz und gar nicht. »Ich habe nichts bei mir und führe nur eine Untersuchung für den König durch.«
    »Was für eine Art von Untersuchung?«
    »Ich erstelle eine Liste der Fähigkeiten aller Einwohner von Xanth.«
    »Das hört sich interessant an«, sagte er und strich sich über den Bart. »Dabei wirst du sicherlich auch auf eine ganze Menge anderer Informationen stoßen.«
    »Ja, sicher. Aber…«
    »Vielleicht könnten wir etwas auf Kommissionsbasis aushandeln?«
    »Auf was?«
    »Wir werden dir deine Antwort geben. Im Gegenzug bekommen wir von dir die Hälfte des gesamten Gewinns, den du daraus erzielst.«
    »Das wäre ja dann die Hälfte all meiner Informationen?«
    »Ganz genau. Oder, um es deutlicher zu sagen, du wirst alles mit uns teilen, was du durch unsere Hilfe in Erfahrung bringst. Damit hast du alle Vorteile auf deiner Seite, denn du wirst keine Verluste machen. Dir ist ja sowieso alles bekannt, was du später einmal an uns weitergibst. Ich finde, das ist ein faires Angebot.«
    Ich sah zu MähreAnne hinüber. »Was hältst du davon?«
    »Für nur eine Antwort kommt mir der Preis sehr hoch vor«, entgegnete sie. »Aber da du ja dein Wissen nicht verlieren wirst, kann man darauf eingehen. Dennoch traue ich der Sache nicht. Laß uns lieber zusätzlich ein Zeitlimit festsetzen.«
    »Ein Zeitlimit!« Der Priester wirkte schockiert. Auf einmal fühlte ich mich wieder besser.
    »Ein Jahr«, schlug ich vor.
    »Zehn Jahre«, hielt er sofort dagegen.
    Er war bereit zu handeln. Mir war klar, wie es jetzt weiterging. Wir feilschten hin und her und näherten uns schließlich dem Preis, von dem wir beide insgeheim schon vorher ausgegangen waren: fünf Jahre. Das war immer noch ein hoher Preis, aber letztendlich war es nicht für immer und ewig. Ich war froh über MähreAnnes Umsicht.
    Schließlich setzte sich die Pythia, die sich von den Mädchen, die wir erst kürzlich im Dorf befragt hatten, so gut wie gar nicht unterschied, auf ihren Thron über der qualmenden Spalte im Berg. Ich trat heran und stellte meine Frage: »Wie kann ich meine Fragen an ein gefährliches Volk richten, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten?« Mich durchfuhr der Gedanke, daß ich mit Sicherheit auch einige unangenehme Untersuchungen außerhalb Parnaß vorzunehmen hätte. Ich hatte mir vorgenommen, aus meiner Antwort auf jeden Fall soviel wie nur irgend möglich herauszuschlagen.
    Das Mädchen atmete den Rauch tief ein und spreizte plötzlich die Beine. Dabei

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