Hoellenengel
die Leichen können jetzt ohne
Weiteres in den Transporter gebracht werden. Wir sind mit dem
Zusammenräumen schon fast fertig und sollten in etwa einer
halben Stunde aufbrechen können. Hier werden zwei Leute in der
Nacht Wache halten, weil die Spurensicherung morgen
wiederkommt.«
»Dann nichts wie los«, sagte Víkingur.
»Morgen wird ein langer Tag.«
»Ja, Amsterdam, übrigens«, sagte Randver.
»Ich bin noch nicht dazu gekommen, zu fragen, was bei der
Hollandreise herausgekommen ist.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, antwortete
Víkingur. »Das hat sich alles so ergeben, wie wir es
eigentlich erwartet haben. Ich fand es nie besonders
wahrscheinlich, dass dieser Leichnam, auf den uns die
holländische Polizei hinwies, Þórhildurs Sohn
Magnús sei. Wir haben ihn uns natürlich angeschaut. Es
war nicht Magnús.
Trotzdem denkbar, dass die Leiche auf irgendeine Art und Weise mit
Island verbunden ist, denn sie trug irgendeine Art Rune oder
Zeichen. Das alles hat Þórhildur ganz schön
mitgenommen, aber ich hoffe, dass sie morgen wieder zur Arbeit
erscheint und dann die Obduktionen übernimmt. So ab elf Uhr,
sagte sie.«
»Es ist gut, wenn sie das macht«, sagte
Randver.
»Entschuldige, Víkingur«, sagte Terje und hielt
die Haustür des Sommerhauses auf. »Dieses Runenzeichen
in Amsterdam, ähnelte das diesem Gekritzel?«
Die Tür des Sommerhauses hatte den ganzen Tag sperrangelweit
offen gestanden und niemand hatte der Tatsache Beachtung geschenkt,
dass auf ihre Innenseite mit einem Messer oder einem
Schneidwerkzeug diese Zeichen geritzt worden waren:
Sie waren offenkundig
in Eile und mit beschränkter Kunstfertigkeit gemacht
worden.
»Die Runen erinnern an das Gekritzel, das ich in Holland
sah«, sagte Víkingur. »Aber so eine Zeichnung
habe ich noch nicht gesehen. Sie scheint irgendeinen Vogel
darzustellen.«
»Schade, dass Theódór jetzt nicht hier bei uns
ist«, sagte Guðrún Sólveig von der
kriminaltechnischen Abteilung. »Er würde diese Zeichen
sofort erkennen. Sonnenklar, dass das Runenzeichen
sind.«
»Wir rufen ihn und lassen ihn sie begutachten«, sagte
Víkingur.
»Wir nehmen diese Tür morgen mit in die Stadt«,
sagte Dagný. »Und kriegen Theódór dazu,
vorbeizukommen und sich das anzuschauen.«
»Es ist Zeit, dass wir nach Hause kommen, denn der Schlaf
wird knapp bemessen sein«, sagte Randver. »Wir haben
eigentlich um acht Uhr eine Besprechung. Wohl am besten, sie auf
neun Uhr zu verschieben. Haben das alle gehört? Also, sagt es
bitte weiter: Die morgendliche Besprechung wird auf neun Uhr
verschoben! Und dann müssen wir auch bald die Angehörigen
finden, um die Leichen zu identifizieren.«
Terje grinste. »Genügend Leute werden Elli vom Octopussy
identifizieren können. Lässt nicht der halbe
Gemeindevorstand von Kópavogur bei ihm anschreiben?
Andererseits könnte es länger dauern, bis wir jemanden
finden, der die Geldeintreiber, Goldköpfchen und Bäcker,
kennen will.«
Im Inneren des Sommerhauses waren Sanitäter damit
beschäftigt, die Nägel aus den Händen und
Füßen der Leichname zu lösen, um sie auf Tragbahren
zu legen.
Sveinn, der in Abwesenheit von Þórhildur als
Sachverständiger fungierte, leitete die Aktion und wollte
verhindern, dass sie weitere Prellungen bekamen. Als man Elli von
Tisch und Boden gelöst hatte, ordnete Sveinn an, ihn
bäuchlings auf die Bahre zu legen. Sein Hosenboden war
aufgeschnitten worden. Der Rechtsmediziner leuchtete mit einer
Taschenlampe in den Schnitt hinein.
»Was ist denn das bitte?«, sagte er, als er sich wieder
aufrichtete.
»Was denn?«
»Das, was wir nicht gesehen haben, als die Leiche auf dem
Stuhl saß. Jemand hat einen Stock oder besser gesagt einen
Stab in den Mastdarm des Mannes getrieben. Der Mann ist
aufgespießt worden. Oder gepfählt oder wie man das
nennt.«
»Ich habe nur einmal in meinem Leben eine Leiche gesehen, die
so zugerichtet war«, sagte Víkingur. »Das war
gestern. In Holland.«
»Was? Ich dachte, Dracula wäre der Letzte gewesen, der
seine Feinde gepfählt hat«, meinte Terje.
»Vielleicht ist er jetzt nach Island
gekommen.«
»Was ist das für ein Blödsinn?«, sagte
Randver.
»Das ist kein Blödsinn«, antwortete Terje.
»Die Realität ist den Kinofilmen immer voraus. Graf
Dracula hatte die Angewohnheit, seine Feinde zu quälen, indem
er einen Stock oder Stab von hinten in sie stach, und dann
ergötzte er sich daran, wie sie sich wanden.«
»Dieser Adlige, Vlad Tepes, ist
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