Hoellenfluestern
Atlantas Dämonenfängerzunft zu diesem Schritt gezwungen worden zu sein. Es war ein albernes Gefühl von Stolz, aber Stolz war alles, was ihr geblieben war.
Riley gab ihm Aydens zerknitterte Visitenkarte, die sie ganz unten in ihrer Botentasche gefunden hatte. »Bitte ruf sie an und erzähl ihr, was passiert ist. Ich möchte, dass Ayden es weiß.«
Beklommen betrachtete Mort die Karte. »Du bittest einen Totenbeschwörer, eine Hexe anzurufen?«, sagte er. Die magische Beziehung zwischen den Nekros und »diesen Frauen« war bestenfalls angespannt.
»Ayden ist in Ordnung. Sie wird dich nicht in einen Frosch verwandeln oder so.«
Er hob eine Augenbraue und steckte die Karte ein.
»Pass nur auf meinen Dad auf. Das ist alles, worum ich dich bitte.«
»Ich werde nicht zulassen, dass die Jäger ihn bekommen. Versprochen«, erwiderte er feierlich.
»Danke, Mort. Ich meine es ernst. Du bist echt unglaublich. Du warst schon unglaublich, als wir uns zum ersten Mal getroffen haben.«
Ein leichter roter Schimmer tauchte auf seinen Wangen auf. »Ich tue, was ich kann.«
Als der Nekro die Nummer von Meister Stewart wählte, kletterte Riley aus dem Wagen, ohne das Gespräch abzuwarten. Sie schlängelte sich durch die Menschenmassen der City und rechnete jeden Moment damit, von den Jägern umringt zu werden. Stattdessen war es ein Tag wie jeder andere in Atlanta – die Leute gingen einkaufen und kümmerten sich um ihren eigenen Kram.
Sie ging zwei Blocks weit und besah sich dabei die Läden. Die Verkaufsstände standen in den Parkbuchten, eine weitere Masche der bankrotten Stadt, auf jede erdenkliche Weise ihre Einkünfte zu erhöhen. Halb versteckt neben einer Bude mit gebrauchten Klamotten entdeckte sie einen Stand mit heiligen Gegenständen. HEILIGE RELIQUIEN, lautete ein Schild. Inmitten von Statuen von der Jungfrau Maria, Jesus, Buddha und Kuan Yin, der chinesischen Göttin der Gnade, lag ein Stapel hölzerner Kreuze. Durch kleine Bohrlöcher waren lange Lederbänder gefädelt, so dass man sie um den Hals tragen konnte.
»Heilige Kreuze, aus dem geweihten Tabernakel«, rief der Mann hinter dem Verkaufsstand. »Von Engeln gesegnet.«
Irgendwie hatte der geschäftstüchtige Ladenbesitzer Holz von dem zerstörten Gebäude ergattert und daraus Kreuze gebastelt. Falls das Holz überhaupt von dort stammte.
Riley schob sich durch die Menge und stellte den Mann zur Rede. »Was soll das?« Sie deutete auf den Stapel mit den Kreuzen. »Dämonenfänger sind in diesem Gebäude gestorben. Wie können Sie so etwas tun?«
»Weil meine Kunden es wollen«, erwiderte der Mann verblüfft.
»Diese Kreuze wurden nicht von Engeln gesegnet. Das Einzige, was an ihnen klebt, ist das Blut der Fänger.«
»Natürlich haben die Engel es gesegnet. Ich habe sie im Fernsehen gesehen«, mischte eine Kundin sich ein und wandte sich an den Standbesitzer. »Haben Sie eines etwa in dieser Größe«, fragte die Frau und deutete die gewünschte Länge mit den Fingern an, »aber aus dem astigen, hellbraunen Holz?«
Als würde sie neue Möbel aussuchen.
»Gott, was tun Sie da?«, rief Riley und ballte die Fäuste.
»Tu bloß nicht so, als wärst du persönlich betroffen«, sagte der Ladenbesitzer.
»Aber ich war dort! Ich weiß, was passiert ist. Ich habe sie sterben sehen!«
»Ja, klar«, sagte der Händler. »Hau ab und tob deinen Wutanfall woanders aus, oder ich rufe die Cops.« Er machte sich daran, der Kundin zu helfen, das »perfekte« Kreuz zu finden.
Ein Wutschrei stieg in Rileys Kehle auf, aber sie schluckte ihn herunter. Es war sinnlos, dagegen anzugehen. Die Menschen glaubten, was sie glauben wollten, selbst wenn es eine Lüge war. Wenn sie sich dadurch sicher fühlten und einen Grund hatten, die Wahrheit zu ignorieren, waren sie vollkommen überzeugt.
Den Blick von Tränen verschleiert, wandte sie sich zum Gehen. Und blieb wie angewurzelt stehen. Der Hauptmann der Dämonenjäger stand in seiner steifen Uniform und mit nachdenklicher Miene vor ihr.
»Miss Blackthorne«, sagte Salvatore.
»Wie können sie so etwas tun, wenn so viele gestorben sind?«, fragte sie und versuchte, ihrer Gefühle Herr zu werden.
»Die Praxis ist jahrhundertealte. Wussten Sie, dass man Zauberamulette aus den Knochen der Heiligen gemacht hat?«
»Es ist trotzdem nicht richtig.«
»Nein, das ist es nicht«, sagte er. »Besonders nach dem, was Sie durchgemacht haben.«
Auf der Stelle war ihr Misstrauen geweckt. Der Typ war zu nett. War das ein Trick, um
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