Hoellenfluestern
sonst hättest du es längst getan.«
Ori schien nicht besonders erfreut darüber, dass sie von allein darauf gekommen war.
»Kurz bevor Luzifer dich in einen Taubenschlafplatz verwandelt hat, wolltest du mir erzählen, warum es so wichtig ist, dass ich dir meine Seele gebe. Was wolltest du da sagen?«
Oris schwarze Augen schienen sie durchbohren zu wollen. »Befrei mich, und du wirst alles erfahren.«
»Gibst du denn nie auf? Das wird nicht passieren.«
»Eines Tages wirst du keine andere Wahl haben«, schoss er zurück.
»Beantworte meine Frage, oder ich verschwinde.«
Ori legte den Kopf schräg. »Du hast dich verändert. Du bist jetzt härter, weniger …«
»Unschuldig? Vertrauensvoll? Das wäre dein Verdienst, Engel.« Riley riss der Geduldsfaden. »Wer ist der gefallene Engel, den ihr Sartael nennt?«
Ori wurde vollkommen still, als hätte er sich von einem Moment zum anderen wieder in eine Statue verwandelt. »Woher weißt du von ihm?«
Sie beschloss, den Spieß umzudrehen und die Frage nicht zu beantworten.
»Hat er Simon gegen mich aufgehetzt? Ist er derjenige, der dich schlecht beraten und dir eine Falle gestellt hat, damit du bestraft wirst?«
»Ja.« Das einzelne Wort kam als giftiges Knurren heraus. »Sartael hat mich belogen und mir erzählt, unser Fürst würde etwas von mir erwarten, obwohl es gar nicht stimmte.«
Dieses Etwas war, mit Riley ins Bett zu gehen.
»Seinetwegen kam ich erst so spät zu Meister Harper, als ihr von dem Fünfer angegriffen wurdet. Zu der Zeit begriff ich nicht, dass der Fünfer seinen Befehlen gehorchte. Deshalb war Astaring so schwer zu töten.«
Die Dämonen haben Namen? Meine Güte . »Warum macht er das?«, fragte Riley.
»Macht. Er strebt nach dem Thron des Fürsten.«
Riley lehnte sich an einen Grabstein, was vermutlich ziemlich respektlos war, aber sie war müde.
»Wieso sind eigentlich alle so scharf drauf, in der Hölle zu herrschen?«, brummte sie. »Mir scheint es ein ziemlicher Scheißjob zu sein. Man ist ständig von Dämonen umgeben und muss laufend Sterbliche und Engel auf die Probe stellen, die einen alle hassen.«
Vorsichtig säuberte Ori den Flügel, den ein Vogel beschmutzt hatte. Nachdem er den Dreck fortgebürstet hatte, traf sein düsterer Blick wieder Rileys. »Sartael wird niemanden testen. Er will vernichten. Er wird einen Krieg mit dem Himmel beginnen.«
Den Krieg, den ich verhindern soll.
»In der Tat«, erwiderte Ori.
Sie hatte vergessen, dass er ihre Gedanken lesen konnte. »Warum tötet Luzifer ihn nicht einfach? Ich meine, er ist der Fürst der Finsternis. Das kann doch nicht nur ein Titel sein.«
Ori musterte sie prüfend und sagte verwirrt: »Du trägst das Mal meines Gebieters, aber deine Seele gehört dir.«
»Er wollte sie nicht haben. Stattdessen schulde ich ihm einen Gefallen. Deswegen habe ich einen Riesenärger mit der Kirche bekommen.«
»Trotzdem haben sie dich am Leben gelassen«, sagte Ori nachdenklich. »Nur die Törichtsten unter uns würden sich dem Fürsten in den Weg stellen und sein Schnuckelchen töten.«
»Schnuckelchen?«, spie sie aus. Mit diesem Penner war sie fertig. »Nenn mich nicht noch einmal so. Wir haben nichts zu bereden.«
»Am Ende wirst du wieder hier stehen«, sagte Ori. »Und dann wirst du mir zuhören, Riley Anora Blackthorne. Du wirst keine Wahl haben.«
»Das werden wir ja sehen, Engel.«
Riley machte auf dem Absatz kehrt und marschierte davon, vom Zorn angetrieben. Erst als sie den Glockenturm erreicht hatte, blickte sie über die Schulter zurück. Ori war wieder zu Stein geworden und blickte mit geöffneten Augen in den heraufziehenden Morgen. Die Arme an der Seite, hatte er die Handflächen wie zum Gebet erhoben.
Es war in der Tat ein ergiebiger Sonnenaufgang gewesen. Sie kannte jetzt den Namen des Engels, der überall die Fäden zog, des gefallenen Engels, der Chaos sowohl über die Gesegneten als auch über die Verdammten gebracht hatte.
Nach einem großen Frühstück und einem ausgiebigen Nickerchen schleppte Riley sich widerstrebend in Stewarts Bibliothek. Bis die Schule anfing, musste sie noch ein paar Stunden totschlagen, und dies war der ruhigste Ort, um Nachforschungen über gefallene Engel anzustellen. Hoffentlich hatte der Besitzer der Bibliothek nichts dagegen.
Kaum hatte Riley die Deckenleuchte eingeschaltet, da seufzte sie neidvoll auf. Dies war kein vollgestopfter Schlupfwinkel, sondern ein normal großer Raum, der ihr verriet, dass Stewart ernsthafte
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