Höllenflut
als
Pitt ausstieg und seine Reisetasche aus dem Kofferraum holte.
Pitt schaute den jungen Mann an und lächelte. »Ein guter
Gastgeber kümmert sich um seine Gäste.« Er stand da und
wartete, bis die Rücklichter des NUMA-Wagens in einer großen
Staubwolke verschwunden waren. Dann bückte er sich, öffnete
die Reisetasche und wollte seinen alten .45 er Colt herausholen.
Im gleichen Augenblick fiel ihm ein, daß er vergessen hatte,
sich neue Munition zu besorgen, nachdem Julia Lee im Kampf
gegen die Ultraleichtflugzeuge am Orion River beide Magazine
aufgebraucht hatte.
»Leer!« stieß er mit zusammengebissenen Zähnen aus. Hab'
ich etwa einen Dachschaden? dachte er, während er allein in der
Dunkelheit stand. Jetzt blieb ihm nichts anderes übrig, als sich
dumm zu stellen, einfach hineinzugehen, so als rechne er mit
nichts Bösem, und sich dann zu einem seiner Oldtimer
durchzuschlagen, wo er in einem Behältnis aus Walnußholz, in
dem einst ein Regenschirm verstaut war, eine Schrotflinte
versteckt hatte.
Er zog eine kleine Fernbedienung aus der Hosentasche und
pfiff die ersten Takte des »Yankee Doodle«. Auf dieses
Erkennungszeichen hin wurde die Alarmanlage automatisch
abgestellt, und eine unscheinbare Tür, die aussah, als wäre sie
seit 1945 nicht mehr geöffnet worden, wurde entriegelt. Auf der
Fernbedienung blinkte dreimal hintereinander ein grünes
Lämpchen. Eigentlich hätte es viermal aufleuchten müssen.
Jemand, der sich sehr gut mit Alarmanlagen auskennen mußte,
hatte seinen Code geknackt. Er schloß die Augen, konzentrierte
sich einen Moment lang und atmete tief durch. Sobald die Tür
einen Spalt auf war, ging er auf alle viere, griff um den Rahmen
herum und schaltete die Innenbeleuchtung ein.
Die Wände, der Boden und das gebogene Dach waren innen
glänzendweiß gestrichen, so daß sich rundum die
leuchtendbunten Farben der dreißig lackierten Wagen
spiegelten, die über den ganzen Hangar verteilt waren. Es wurde
gleißend hell, und genau darauf baute Pitt. Er wollte, daß die
Eindringlinge, die dort im Dunkeln auf ihn lauerten, geblendet
würden. Das 1929er Duesenberg-Kabriolett mit der
orangefarbenen Karosserie und den braunen Kotflügeln, in dem
er die Schrotflinte aufbewahrte, war, soweit er sich entsann, von
der Tür aus gesehen das dritte Auto.
Die Schüsse, die ihm endgültig bestätigten, daß die
Eindringlinge ihm keinen Höflichkeitsbesuch abstatten wollten,
waren kaum wahrzunehmen. Er hörte lediglich ein mehrfaches
leises Floppen und spürte, wie die Kugeln in die Tür
einschlugen. Sie benutzten also Schalldämpfer, obwohl sich weit
und breit keine Menschenseele aufhielt. Wieder griff er um die
Tür herum und schaltete das Licht aus. Dann warf er sich flach
zu Boden, robbte blitzschnell von der Tür weg und kroch unter
die ersten beiden Oldtimer, einen 1932er Stutz und einen 1932er
Cord L-29, die gottlob viel Bodenfreiheit hatten. Er gelangte
ungeschoren bis zu dem Duesenberg, sprang über die hintere
Tür, warf sich im Fond zu Boden, griff im gleichen Augenblick
zum Drehknauf des kleinen, hinter dem Vordersitz angebrachten
Staufachs und öffnete es. Dann holte er die großkalibrige,
elfschüssige Aserma Bulldog heraus. Die gedrungene Waffe
hatte keinen Kolben, war aber dafür mit Mündungsfeuerdämpfer
und Mündungsbremse ausgerüstet. Sie war eine der vier
Schußwaffen, die Pitt eigens für einen solchen Fall an diversen
Stellen des Hangars versteckt hatte.
Im Hangar war es jetzt wieder stockdunkel. Wenn es wirklich
Profis sind, dachte Pitt, und daran gibt es kaum einen Zweifel,
dann benutzen sie Nachtsichtgeräte, Infrarot und Laservisiere.
Der Flugbahn der auf die Tür abgefeuerten Kugeln nach zu
urteilen, waren es zwei Männer, vermutlich beide mit
Maschinenpistolen bewaffnet. Der eine hielt sich irgendwo im
Erdgeschoß auf, der andere war auf dem Balkon vor seiner
Wohnung, etwa zehn Meter über der einen Ecke des Hangars.
Zur Tür zu stürmen kam nicht in Frage. Die Killer wußten
jetzt, daß Pitt sich irgendwo am Boden des Hangars versteckte.
Wenn ihnen klar wurde, daß ihr vermeintliches Opfer mit
offenen Augen in die Falle gegangen war, wurden sie garantiert
mißtrauisch und vorsichtig.
Da er vorerst nichts weiter unternehmen konnte, drückte er
leise die beiden Hintertüren des Duesenberg auf, spähte in die
Dunkelheit und wartete darauf, daß die Angreifer den nächsten
Zug machten.
Er versuchte so langsam und flach wie möglich zu
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