Höllenflut
Bootshaus schleppte.
Drinnen öffnete er die Kühlbox und holte einen kleinen
Tauchroboter heraus, ein sogenanntes AUV, ein Autonomous
Underwater Vehicle, das von der Benthos Incorporated
entwickelt worden war, einer Spezialfirma für
Unterwassertechnologie. Das schwarz lackierte Gerät war rund
fünfundsechzig Zentimeter lang, fünfzehn Zentimeter breit,
enthielt eine Farbvideokamera mit hoher Bildauflösung und
wurde von zwei gegenläufig drehenden Schubdüsen
angetrieben. Die Batterien, die es mit Energie versorgten, hatten
eine Lebensdauer von gut zwei Stunden
Pitt verstaute das kompakte kleine Gerät samt seiner
Angelrute und einer Schachtel mit Haken, Ködern und
Vorfächern im Boot, Dann öffnete er das Tor zum See, setzte
sich an die Ruderpinne und stieß sich mit einem Bootshaken ab.
Sobald das Boot im Freien war, richtete er den Mast auf und
senkte das Kielschwert ab.
Er wollte wie ein ganz normaler Urlauber wirken, der sich bei
einem Segeltörn auf dem See erholen wollte. Die Witterung war
angenehm, auch wenn die Luft ein bißchen kühl war, aber er
trug ein warmes Holzfällerhemd und eine Khakihose, dazu
Turnschuhe und dicke Socken. Ein erfahrener Angler hätte
vermutlich eher ein Motorboot oder ein Ruderboot mit
Außenbordmotor gewählt, wenn er auf Lachse oder Forellen
gehen wollte. Bestimmt kein Segelboot. Aber Pitt hatte sich
dafür entschieden, weil ihm das Segel Deckung bot, falls er vom
Anwesen aus beobachtet werden sollte.
Mit ein paar Schlägen an der Ruderpinne brachte er das Boot
in den Wind und glitt dann über das blaugrüne Wasser des Orion
Lake dahin. Dann kreuzte er gemächlich von einem Ufer zum
anderen, achtete aber darauf, daß er stets gehörigen Abstand zu
dem Grundstück am anderen Ende des Sees hielt. Rund
fünfhundert Meter vor dem Bootsanleger, an der tiefsten Stelle
des Sees, geriet er in eine Bö und mußte das Segel einholen.
Doch er ließ so viel Leinwand stehen, daß er dahinter ungesehen
zu Werke gehen konnte. Die Ankertrosse reichte nicht einmal
annähernd bis zum Boden, aber er spulte sie trotzdem so weit
wie möglich ab und benutzte den Anker als Draggen, damit das
Boot vom Wind nicht zu nah ans Ufer getrieben wurde.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß er nach vorn
durch das Segel und nach hinten durch sein breites Kreuz
gedeckt war, beugte er sich über die Bordwand und spähte durch
einen Eimer mit offenem Boden, Das Wasser war so kristallklar,
daß Pitt einen rund fünfzig Meter tiefer schwimmenden
Schwärm Lachse sehen konnte. Dann öffnete er die Schachtel
mit dem Anglerzubehör und holte einen Haken und ein mit
Bleigewichten beschwertes Vorfach heraus. Pitt hatte in den
letzten dreißig Jahren nur einen einzigen Fisch erbeutet, und den
hatte er beim Tauchen mit der Harpune erlegt. Eine Drillangel
hatte er seit seiner Kindheit nicht mehr in der Hand gehabt, als
er mit seinem Vater, Senator George Pitt, vor der kalifornischen
Küste auf Fischfang gegangen war. Dennoch schaffte er es, das
Vorfach zu befestigen, einen unglücklichen Köderwurm auf den
Haken zu spießen und die Schnur auszulegen.
Während er so tat, als stellte er den Fischen nach, spulte er
einen dünnen Draht ab und brachte ein kaffeetassengroßes
Sende- und Empfangsgerät zu Wasser. Er ließ es rund fünf
Meter tief sinken, bis er sicher war, daß es sich nicht mehr im
akustischen Schatten des Bootsrumpfes befand. Ein ebenso
großes Gerät war im Heck des AUV eingebaut. Die beiden
Sender sowie die im Gehäuse des AUV untergebrachte
Elektronik bildeten das Herzstück des Tauchroboters, der sich
auf diese Weise unter Wasser steuern ließ und Videosignale
übermitteln konnte, die von einem kleinen Recorder
aufgezeichnet wurden.
Danach holte er das AUV aus der Kühlbox, ließ es vorsichtig
zu Wasser und sah zu, wie das schwarz lackierte Gerät, das wie
ein Wesen aus der Tiefsee wirkte, in den Fluten versank. Pitt
hatte über zweihundert Stunden Erfahrung im Umgang mit
Tauchrobotern, aber die Geräte, mit denen er bislang gearbeitet
hatte, waren mit Verbindungskabeln versehen gewesen. Dies
war erst sein zweiter Versuch mit einem sogenannten
autonomen System. Sein Mund fühlte sich eine Idee trockener
an als sonst, als das kleine Gerät, das die NUMA zwei Millionen
Dollar gekostet hatte, außer Sichtweite geriet. Der autonome
Tauchroboter war ein Wunderwerk der Mikroelektronik und
ermöglichte es den Wissenschaftlern der NUMA,
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