Höllenfracht
eingeatmet hatte. Jetzt war er in der Schleuse und legte gelassen, aber zügig seine Ausrüstung an. Jerrod Bates, ein ziviler Angestellter einer Konstruktionsfirma, der als Fachberater und Ingenieur mit an Bord der Atlantis war, sah Seedeck zu, wie er in seinen Raumanzug stieg, und war erstaunt, mit welcher Geschwindigkeit er das schaffte. Er selbst benötigte immer doppelt so lange, die gleiche Aufgabe zu bewältigen.
Dieser Testflug war von Anfang bis Ende streng geheim, alles strikte und verantwortungsvolle Militärangelegenheiten. Nicht einmal die üblichen Pressespekulationen über die enormen Kosten gab es dieses Mal - oder sie waren jedenfalls erfolgreich unterbunden worden.
»Worüber lächeln Sie, Commander?« fragte Bates.
»Weil ich mich so prima fühle, Bates«, antwortete Seedeck durch die klare Pastikgesichtsmaske, die er trug. Er tat die letzten Handgriffe am unteren Rumpfteil seines Raumanzuges und nahm den oberen Teil vom Haken in der Schleuse. Bates griff danach, um ihn Seedeck hinzuhalten, doch das war überflüssig. Der Commander ließ einfach los, und die Schwerelosigkeit im Raum hielt den Raumanzug einfach dort in der Schwebe, wo er ihn losgelassen hatte.
»Seit vier Tagen mache ich das jetzt immer wieder«, sagte Bates durch seine eigene Gesichtsmaske. »Ständig vergesse ich es - hier fällt ja nichts herunter.«
»Das geht auch mir noch gelegentlich so«, gestand Seedeck. »Aber ansonsten habe ich gelernt, es auszunützen.« Das hatte er in der Tat.
Sein Helm, seine Handschuhe, sein Kopfhörer mit Sprechmikrofon -
der »Snoopy-Hut« - und sein POS - portable oxygen sei, das tragbare Sauerstoffgerät - schwebten in bequemer Reichweite in der Schleuse herum.
Mit einer geübten Bewegung hielt Seedeck seinen Atem an, nahm die POS-Maske ab und schlüpfte in das Oberteil seines Raumanzugs.
Falls er Luft der Kabine eingeatmet hätte, wäre tödlicher Stickstoff in seinen Blutkreislauf gelangt - mit dem Risiko von Druckabfall und Stickstoffrausch. Aus dem gleichen Grund war auch Bates in der »Sauerstoffdusche« gewesen. Seedeck schnallte mit immer noch angehaltenem Atem mehrere Gurte des großen Atmungsgeräts an seinen Raumanzug und verschloß dessen beide Teile miteinander. Er nickte bestätigend, als er und Bates beide das typische Klicken und Einrasten der Verbindungsteile und -gelenke hörten.
Bates konnte es kaum glauben, was der Raumveteran mit dem Bürstenhaarschnitt alles schaffte. Es waren jetzt gut zwei Minuten vergangen, seit Seedeck seinen Atem angehalten hatte, und immer noch hüpfte er wie ein kleiner Junge im Bonbonladen herum. Er schloß jetzt gerade die beiden Handschuhe an die Ärmelringe an, setzte seinen »Snoopy-Hut« auf und zog den Helm darüber. Er prüfte den Stand des Drucks auf den Anzeigegeräten auf seiner Brust, bis er allmählich auf 28 Kilopascal angestiegen war. Als der Raumanzug dann den richtigen Druck und Seedeck noch einmal überprüft hatte, daß alles dicht war, ließ er mit einem befreiten Zischen endlich den Atem aus.
»Nicht zu fassen«, staunte Bates, nachdem er seinen Kabinenkopfhörer aufgesetzt hatte, damit er sich mit Seedeck verständigen konnte. »Das waren jetzt fast sechs Minuten ohne zu atmen, Mann!«
»Ach, wenn man zuvor eine Stunde lang in der Sauerstoffdusche war, ist es erstaunlich leicht«, meinte Seedeck. »Außerdem bin ich ja trainiert. Ich habe das schon ein paarmal gemacht. Wollen Sie bitte mein Atemgerät überprüfen, ob alles sitzt?«
»Sicher«, sagte Bates. Er kontrollierte sorgfältig alle Verbindungsstücke und Schläuche an Seedecks Raumanzug und hob ihm dann bestätigend den Daumen entgegen. »Alles klar.«
»Danke. Öffnen Sie jetzt die Schleuse. Hallo, Admiral, hier Seedeck. Bereite Druckabfall Schleuse vor.«
»Verstanden, Dick«, antwortete Admiral Ben Woods, der Mission Commander der Atlantis. »Sie können, wann immer Sie wollen.«
Woods wiederholte dies auch für das Kontrollzentrum in Houston tausend Kilometer unter ihnen.
Seedeck schaltete die Kontrolltafel in der Schleuse ein und stellte den Schalter SCHLEUSENDRUCKABFALL auf 5, dann auf 10,
und wartete, bis die Luft abgeströmt war. Nach drei Minuten öffnete er die Schleuse und stieg aus.
An den Anblick würde er sich wohl nie gewöhnen - den sinneverwirrenden Anblick, den Erdball über sich zu sehen, wie er sich drehte, mit seinen Farben, in allen Einzelheiten, in seiner ganzen Größe und spektakulären Schönheit. Der Planet Erde in tausend
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