Hoellenglanz
nur einen anderen Typ …
»D-Derek? Du glaubst …«
Ich brachte den Satz nicht zu Ende. Ich hätte am liebsten gelacht.
Du glaubst, ich mag Derek? Machst du Witze?
Aber das Lachen kam nicht, nur dieses Donnern in meinen Ohren. Der Atem stockte mir, als hätte ich einen Schlag vor die Brust bekommen.
»Derek und ich sind nicht …«
»Nein, noch nicht. Ich weiß.«
»Ich … ich mag doch …«
Sag’s einfach. Bitte, lass es mich doch sagen: »Ich mag doch nicht Derek.«
Aber ich sagte es nicht. Konnte es nicht sagen.
Simon rammte die Hände in die Taschen, und wir standen uns in einem fürchterlichen Schweigen gegenüber, bis ich schließlich herausbrachte: »So ist das nicht.«
»War es auch nicht. Nicht gleich am Anfang.« Er starrte in den Wald hinaus. »Nach der Sache mit dem Kriechkeller ist es anders geworden. Ihr zwei habt zusammengesteckt, die … die Stimmung war einfach anders. Ich hab mir gesagt, ich bilde mir da was ein. Als ihr aus dem Labor abgehauen seid, du und Tori, hat es ausgesehen, als hätte ich recht gehabt. Aber dann, nach der Sache an diesem Rasthof, als ihr wieder zu uns gestoßen seid …« Er verstummte und sah mich dann an. »Ich habe recht, stimmt’s?«
Ich hörte einen flehentlichen Ton in seiner Stimme.
Sag mir, dass ich unrecht habe, Chloe. Bitte.
Und alles in mir wollte es sagen. Es war Simon. Er war alles, was ich mir jemals bei einem Freund erträumt hatte, und jetzt stand er vor mir, und ich brauchte nur ein einziges Wort zu sagen, und ich versuchte es. Ich versuchte es. Aber alles, was ich zustande brachte, war ein zweites schwächliches »So ist es nicht«.
»Ja, doch, ist es.«
Er setzte sich in Bewegung, zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Dann blieb er stehen, und ohne sich umzudrehen, griff er in die Jackentasche und holte ein zusammengerolltes Blatt Papier heraus. Er murmelte: »Das ist für dich.«
Ich nahm es, und er ging weiter.
Meine Finger zitterten, als ich das Papier auseinanderrollte. Es war das Bild von mir, das er gezeichnet und inzwischen auch koloriert hatte. Es sah jetzt noch besser aus als in der ursprünglichen Zeichnung.
Ich
sah besser aus. Selbstsicher und stark und schön.
Das Bild verschwamm, als meine Augen sich mit Tränen füllten. Ich rollte es hastig wieder zusammen, bevor ich es ruinierte. Ich lief ihm ein paar Schritte hinterher und rief ihn. In einiger Entfernung konnte ich seine Gestalt sehen, und ich wusste, dass er mich gehört hatte, aber er blieb nicht stehen.
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17
I ch sah Simon nach, als er sich entfernte. Dann wischte ich mir mit dem Ärmel über die Augen und ging auf die Lichter des Hauses zu. Ich hatte den Waldrand gerade hinter mir gelassen, als die Hintertür geöffnet wurde und Licht in den jetzt fast dunklen Garten herausströmte. Dann erschien der Umriss einer wuchtigen Gestalt.
»Nein«, flüsterte ich. »Nicht jetzt. Geh einfach wieder rein …«
Die Tür schlug zu, und das Geräusch hallte, als Derek durch den Garten marschiert kam, schnurstracks auf mich zu.
Ich sah mich verzweifelt nach einem Fluchtweg um, aber es gab keinen. Weitergehen und mich mit Derek befassen oder zurückrennen zu Simon und mich mit allen beiden befassen müssen. Ich ging weiter.
»Wo ist Simon?«, blaffte Derek mich an.
Die Erleichterung ging wie eine Welle über mich hinweg. Meiner Stimme traute ich nicht, also zeigte ich einfach nach hinten, in den Wald hinein.
»Er hat dich
alleingelassen?
Hier draußen? Am Abend?«
»Er hat unterwegs was verloren«, murmelte ich, während ich mich an ihm vorbeizuschieben versuchte. »Er ist nicht weit weg.«
Derek versperrte mir den Weg.
»Du weinst?«, fragte er.
»Nein, ich …« Ich riss den Blick los. »Bloß Staub. Von dem Waldweg. Simon ist dort hinten.«
Ich machte Anstalten, an ihm vorbeizugehen, aber er beugte sich vor und versuchte, mir ins Gesicht zu sehen. Als ich es nicht zulassen wollte, griff er nach meinem Kinn. Ich fuhr zurück, zuckte unter seiner Berührung zusammen, und mein Herz begann zu hämmern.
Ich sagte mir, dass Simon sich irrte. Ich konnte doch im ganzen Leben nicht dumm genug gewesen sein, eine Schwäche für Derek zu entwickeln. Aber ich hatte es getan. Jetzt, als er so dicht vor mir stand, schlug mein Magen merkwürdige kleine Purzelbäume. Es war keine Furcht. Es war schon seit einer ganzen Weile keine mehr gewesen.
»Du hast geweint«, sagte er. Seine Stimme klang sanfter. Dann stockte sein Atem und das Knurren war wieder
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