Hoellenglanz
letzten Mal, und ich brauchte eine Weile, um sie zu entziffern.
Das erste Symbol war ein Papier mit den Worten »I beg …« darauf. Dann kam der Buchstabe U. Dann die Zahlen 2 und 4. Dann zwei Hände, von denen eine etwas in die Handfläche der anderen zu legen schien. Dann die Musiknote »mi«.
I beg you to for … me?
Ich starrte auf die beiden Hände hinunter und versuchte, das fehlende Wort herauszufinden, bis ein lauter Seufzer durch die Tür hereindrang.
»Entweder die Antwort ist nein, oder meine Zeichnung ist das Letzte.«
»Moment!« Ich zog mich hastig an und öffnete die Tür. Simon lehnte draußen an der Wand.
»Und?«, fragte er.
»Ich habe ein Problem bei einem Wort.« Ich zeigte auf die Hände.
»Give«,
sagte er.
»Ah.« Ich las die Mitteilung. »I beg you to for …
forgive
me?« Ich sah zu ihm auf. »Die Frage sollte wohl eigentlich eher von mir kommen.«
»Nein, du hast genau das Richtige gemacht. Du hast gemerkt, dass es nicht das war, was du willst, und hast’s gesagt. Ich bin der Obertrottel, der dann davongestürmt ist und dich allein im Wald stehengelassen hat. Es tut mir leid. Wirklich leid.« Er zögerte. »Also … ist alles in Ordnung zwischen uns?«
Vor Erleichterung wurden mir die Knie weich. »Es ist in Ordnung. Aber es tut mir wirklich …«
Er hob eine Hand, um mir das Wort abzuschneiden. »Ich kann nicht sauer werden, weil du mir etwas bestätigt hast, das ich mir schon halb gedacht hatte. Ich hab’s probiert. Hat nicht funktioniert. Ich werde jetzt nicht behaupten, dass es mir nichts ausmacht, aber …« Er zuckte die Achseln. »Ich mag dich, Chloe. Und es ist nicht die Meine-Freundin-oder-gar-nichts-Sorte von Mögen, also hoffe ich, wir können diese Wir-haben’s-mit-Dating-probiert-und-es-war-nichts-Phase hinter uns lassen und wieder da weitermachen, wo wir vorher waren, wenn du das willst?«
»Das will ich.«
Als wir ins Erdgeschoss kamen, war Andrew nicht mehr da. Wir nahmen an, dass er zu Russell gegangen war, um ihn zur Rede zu stellen, aber Margaret, die als Babysitterin zurückgeblieben war, wollte es uns nicht sagen. Würde es jetzt immer so weitergehen? Wir durften warten, während die Erwachsenen aktiv wurden? Ich hoffte, es würde nicht so sein.
Simon und ich trafen in der Küche auf Derek. Simon wollte sich eigentlich nur einen Apfel nehmen und dann irgendeinen Ort suchen, wo wir uns in Frieden die nächsten Schritte überlegen konnten, aber Derek reichte ihm seinen Blutzuckertester und den Insulinbeutel und holte dann Speck und Eier aus dem Kühlschrank. Simon seufzte, und Derek warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
»Ich hoffe, ihr erwartet nicht von mir, dass
ich
das Zeug zubereite«, sagte ich.
Jetzt war ich es, die den Blick abbekam.
»Ich will damit nur sagen, ich habe keine Ahnung …«
»Wir sind nicht alle mit Haushälterinnen aufgewachsen«, bemerkte Derek.
»Ich brauche kein Frühstück«, sagte Simon. »Wir müssen reden.«
»Worüber?«, fragte Derek.
»Äh, darüber, wie wir hier rauskommen? Jemand hat versucht, euch
umzubringen.
Euch beide.«
»Und das einzig Neue an der Tatsache ist, dass es nicht die Edison Group war«, sagte Derek. »Nur dass die uns wahrscheinlich auch auf der Spur sind und da draußen drauf warten, dass wir irgendwas Dummes tun. Wieder weglaufen zum Beispiel.« Er legte Speckstreifen in eine Pfanne. »Wir bleiben hier. Zumindest so lang, bis wir wissen, was die als Nächstes vorhaben.«
»Ich will Royce beschwören«, sagte ich.
Dereks Kopf fuhr so schnell zu mir herum, dass ich fürchtete, er würde ein Schleudertrauma bekommen.
»Was?«
»Ich will mit Royce reden. Mit etwas Glück kriege ich stattdessen seinen Onkel oder Cousin, aber es ist wahrscheinlicher, dass ich wieder an Royce gerate, und dann müssen wir uns eben damit befassen. Wir müssen einfach rausfinden, was hier passiert ist, und zwar möglichst schnell.«
»Sie hat recht.« Simon fing den Blick seines Bruders auf. »Du weißt, dass sie recht hat.«
Dereks Kiefermuskeln arbeiteten, als er nachdachte. Schließlich sagte er: »Unter einer Bedingung. Ohne Tori. Das Letzte, was wir brauchen, ist jemand, der einen Feuerball nach Royce schmeißt.«
»In Ordnung.«
Ich ging nach oben, um Tori zum Frühstück nach unten zu holen. Bei dieser Gelegenheit zog ich sie ins Vertrauen und bat sie, uns zu helfen, indem sie Margaret ablenkte und uns wissen ließ, wenn Andrew zurückkam. Sie schien nichts dagegen zu haben, auch wenn sie
Weitere Kostenlose Bücher