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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Existenz zu erforschen, blieb in der Schwebe, während ich es lernte, jenes Leben zu leben.
    Wie alle Hunde war ich fanatisch neugierig; nichts in meiner Nähe blieb unbeschnüffelt, nichts Lockeres ungezupft, nichts Weiches ungekaut. Rumbo verlor oft die Geduld und schalt mich aus, weil ich mich wie jeder andere dumme Köter benahm (obwohl er selbst gern schnüffelte und kaute), und tadelte meine Neugierde im allgemeinen. Es gab viele Nachmittage oder Abende, wo er meine Fragen beantwortete; dazu musste er sich allerdings in entspannter und gesprächiger Stimmung befinden. Aber wenn er zu lange oder zu gründlich nachdachte, wurde er meist verwirrt und reizbar. Oft hatte ich das Gefühl, ich würde gleich etwas Bedeutsames erfahren — vielleicht einen Hinweis auf meine eigene seltsame Existenz oder einen Grund dafür, dass wir offenbar in der Entwicklung wesentlich weiter fortgeschritten waren als andere unserer Art —, aber dann wurden seine Augen glasig, und er sank in ein langes, tranceähnliches Schweigen. Mich pflegte das zu ängstigen, weil ich dann dachte, ich hätte ihn zu weit getrieben und sein suchender Verstand könne sich irgendwo verlieren und dann nicht mehr imstande sein, den Rückweg zu finden. Bei solchen Gelegenheiten hatte ich Angst, er würde zu einem ganz gewöhnlichen Hund werden. Und dann blinzelte er meist ein paarmal, sah sich neugierig um, als überraschte ihn seine Umgebung, und redete einfach weiter, ignorierte freilich die Frage, die ich gestellt hatte. Für mich waren dies fremdartige und beunruhigende Augenblicke, also bemühte ich mich sie nicht zu häufig herbeizuführen.
    Andere beunruhigende Augenblicke gab es, wenn wir Geister sahen. Es geschah nicht so oft, dass es zum alltäglichen Begebnis geworden wäre, aber immerhin oft genug, um beunruhigend zu sein. Sie schwebten dann traurig an uns vorbei, hatten eher ein Gefühl als den Ausdruck äußerster Einsamkeit an sich, und manche von ihnen schienen sich in einem Schockzustand zu befinden, als hätte man sie brutal von ihren irdischen Körpern losgerissen. Rumbo und mir wurde es bei ihrem Anblick immer eiskalt, aber wir bellten nicht, wie andere Hunde das vielleicht getan hätten. Mein Gefährte pflegte sie mit einem leisen Knurren davor zu warnen, uns zu nahe zu kommen. Aber wir waren für diese Geister ohne Interesse, und so schwebten sie vorbei, ohne unsere Anwesenheit überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Einmal — es war am helllichten Tag — wanderten vier oder fünf Geister dicht zusammengedrängt wie eine kleine dahin schwebende Wolke durch den Hof. Rumbo hatte keine Erklärung für das Phänomen und vergaß es gleich wieder, aber mich beschäftigte es noch lange Zeit nachher.
    Das Kommen und Gehen sterblicher Geschöpfe im Hof begann zuzunehmen. Normalerweise arbeiteten zwei oder drei mit Overalls bekleidete Männer im Hof und waren damit beschäftigt, den Schrott zu zerlegen; dazu kam ein beständiger Strom von Kunden, die nach billigen Teilen Ausschau hielten. Gigantische Lastwagen (gigantisch für mich) wurden von dem Kran mit zerquetschten Fahrzeugwracks beladen und verschwanden dann mit dem wertvollen Metall durch das Tor. Fahrzeuge, die so zerbeult waren, dass man sie nicht mehr reparieren konnte, und die zu alt und müde waren, um noch zu fahren, wurden hereingebracht und ohne jedes Zeremoniell auf im schwankenden Gleichgewicht befindliche Schrotthäufen gekippt. Aber meine Neugierde wurde von einer anderen Zunahme an Aktivität geweckt.
    Der Boss fing an, häufig Besucher zu bekommen, die sich für den Hof selbst überhaupt nicht interessierten, sondern in seinem Büro verschwanden und dort stundenlang blieben. Sie kamen zu zweit und zu dritt und gingen auch in derselben Zahl wieder. Sie kamen aus unterschiedlichen Gegenden, meistens aus Wandsworth und Kennington, andere auch aus Stepney, Tooting und Clapham und einige sogar aus weiter abseits liegenden Grafschaften. Ich wusste das, weil ich ihren Gesprächen zugehört hatte, wenn sie vor der Hütte auf die Ankunft vom Boss warteten (er verspätete sich häufig). Ein oder zwei Männer spielten sogar mit mir oder neckten mich auf freundliche Art. Rumbo war mit meinem kindischen Verhalten nicht einverstanden, weil diese Männer mir nie zu essen anboten und für unseren Lebensstil auch nicht von Belang waren. (Rumbo war mit seiner Freundschaft sehr wählerisch.) Aber ich wollte wie jeder andere junge Hund von jedermann geliebt werden. Ich wusste nicht, was für

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