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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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Nigel Nettle gewesen (ja, das stimmt leider), und ich stammte ursprünglich aus Tonbridge, Kent. Als Junge hatte ich oft bei den hiesigen Bauern ausgeholfen (daher rührte mein Wissen um Land und Tiere), aber meine spätere Laufbahn hatte sich — ausgerechnet — mit Kunststoffherstellung befasst. Ich hatte in Edenbridge in der Gewerbezone vor der Stadt eine kleine Fabrik gebaut, mich auf flexible Verpackungsmaterialien spezialisiert und mich später, als die Firma wuchs und gedieh, auch noch anderen Bereichen zugewandt. Soweit ich mich als Hund daran erinnern konnte, bedeutete mir die Fabrik eine Menge. Wir waren nach Marsh Green gezogen, um nahe beim Geschäft zu wohnen, und ich hatte von dort aus immer häufiger geschäftlich nach London reisen müssen (weshalb mir die Strecke so vertraut war).
    Wenn ich mich recht erinnerte, waren wir sehr glücklich gewesen: Die Liebe, die ich für Carol empfand, hatte im Laufe der Zeit nicht abgenommen, sondern war mir nur immer vertrauter geworden; Polly (Gillian) war entzückend, unser Haus war ein Traum, und das Geschäft weitete sich schnell aus. Was war also geschehen? Gestorben war ich, das war geschehen.
    Wie und wann (Polly schien mir wesentlich älter, als ich sie in Erinnerung hatte), musste ich noch herausfinden; aber ich war mehr denn je überzeugt, dass mein Tod mit dem mysteriösen Mann in Verbindung stand, der so oft in meinen
    Erinnerungen auftauchte, sich mir aber immer wieder entzog, ehe ich ihn erkennen konnte. Wenn er immer noch eine Bedrohung für meine Familie darstellte (und der Gedanke wollte mich nicht loslassen), und wenn er etwas mit meinem Tod zu tun gehabt hatte (irgendetwas sagte mir, dass er seine Ursache gewesen war), dann würde ich Mittel und Wege finden, ihn dafür bezahlen zu lassen. Im Augenblick aber wollte ich einfach nur mit Carol und Polly Zusammensein.
    Es war früher Nachmittag, denke ich, und die Sonne war hinter dicken Wolken versteckt. Ich stand auf einer nicht asphaltierten Straße und starrte das freistehende Haus vor mir an. Die Mauern im Erdgeschoß bestanden aus rotem Ziegel, im Obergeschoß waren sie mit roten Tonplatten verkleidet; die Türen und die Fensterrahmen waren weiß gestrichen. Ein Gefühl der Wärme breitete sich in mir aus, und ich schluckte.
    Ich musste mich zusammenreißen. Es hatte wirklich keinen Sinn, dass ich mich so verhielt wie in der Ortschaft; dann würden sie nur wieder Angst bekommen. Reiß dich zusammen, sagte ich mir, benimm dich wie ein normaler Hund; sobald sie sich einmal an dich gewöhnt haben, ist noch genügend Zeit, sie wissen zu lassen, wer du wirklich bist.
    Ich drückte die Klinke des Gartentors mit der Pfote herunter, zwängte mich hinein und trottete den Weg auf das Haus zu, hielt meinen zitternden Körper und die ächzenden Nerven fest im Zügel. Ich erreichte die Haustür und kratzte mit der Pfote daran.
    Nichts passierte. Ich versuchte es erneut. Wieder passierte nichts. Ich wusste, dass sie drinnen waren, weil der Renault in der offenen Garage zu meiner Linken stand.
    Ich wuffte, zuerst leise, dann lauter. »Carol!« rief ich. »Ich bin's, Carol, mach auf!«
    Ich hörte drinnen Schritte, Schritte, die durch den Flur auf mich zukamen. Mit großer Willensanstrengung stellte ich das Bellen ein und wartete. Die Tür öffnete sich ein wenig,
    und ein einzelnes Auge spähte durch den fünf Zentimeter breiten Spalt.
    »Mami, es ist wieder dieser Hund«, rief Polly. Der Spalt schrumpfte auf zwei Zentimeter zusammen, und das Auge betrachtete mich jetzt voll Erregung und ein wenig Beklommenheit.
    Weitere Schritte hallten im Flur, dann tauchte Carols Auge über dem meiner Tochter auf. Sie sah mich erstaunt an.
    »Wie bist du denn hierhergekommen?« sagte sie.
    »Ich hab mich daran erinnert, wo wir wohnen, Carol. Ich konnte dem Wagen nicht folgen, aber ich habe mich erinnert. Es hat nicht lang gedauert!« Es fiel mir schwer, an mich zu halten.
    »Verschwinde! Geh jetzt, so ist's brav!« drängte Carol.
    Ich wimmerte, ich wollte nicht weggehen; ich hatte sie doch gerade erst gefunden.
    »O Mami, ich glaube, er hat Hunger«, sagte Polly.
    »Er könnte gefährlich sein, Liebes. Wir dürfen da nichts riskieren.«
    »Bitte«, winselte ich und sah sie flehend an. »Ich brauche euch. Schickt mich nicht weg.«
    »Schau Mami, ich glaube, jetzt weint er!«
    Und das tat ich auch. Tränen rollten mir über die Wangen.
    »Das ist unmöglich«, sagte Carol. »Hunde weinen nicht.«
    Aber das tun sie doch.

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