Höllenjagd
betätigen, der die nicht synchronisierten Gänge schaltete.
Bells wacher Verstand war zum Teil mit der Straße beschäftigt, über die er fuhr, und zum anderen mit der Vorstellung von Jacob Cromwell, wie er eine weitere Bank ausraubte und jeden darin umbrachte. Als sie sich ihrem Ziel näherten, waren seine Nerven zum Zerreißen gespannt, und Adrenalin pumpte durch sein Blut, während der zuverlässige Motor gleichmäßig wie ein gesunder Puls arbeitete.
33
Die Zeit verflog, während sie im Locomobile die zweihundert Kilometer zwischen den beiden Städten in einer Stunde und einundfünfzig Minuten schafften. Das letzte Abendlicht glitzerte auf dem Ozean im Westen, als sie vom Mount Soledad in die Stadt hinunterfuhren, die von den Strahlen der untergehenden Sonne in Gold getaucht wurde. Obwohl der Locomobile über große Karbidlampen verfügte, wollte Bell nicht anhalten, um sie anzuzünden.
»Wie sieht's mit unserem Benzin aus?«, fragte Bell mit krächzender Stimme, da er den Mund voll Staub hatte.
Bronson drehte sich auf dem Sitz um, schraubte den großen Tankdeckel ab und steckte einen Stab bis zum Boden hinein. Er zog ihn wieder heraus und blickte auf die Feuchtigkeit ganz unten an der Spitze.
»Ich würde sagen, wir fahren auf dem letzten Tropfen.«
Bell nickte stumm.
Die zehrende Anspannung forderte ihren Tribut. Nach Stunden, in denen er das Lenkrad unzählige Male hin- und hergedreht hatte, um das steife Gestänge zu bewegen, das mit der Vorderachse verbunden war, fühlten sich seine Arme so taub an, als wären sie nicht mehr Teil seines Körpers. Seine Fußknöchel und Knie schmerzten vom ständigen Betätigen von Kupplung, Gaspedal und Bremse. Und an beiden Händen hatten sich in den Lederhandschuhen Blasen gebildet. Trotzdem fuhr Bell die letzten Kilometer mit Vollgas und trieb den Locomobile zum Ziel, wie ein Bär einem Elch hinterherhetzt.
Der Locomobile war ebenfalls übel zugerichtet. Das dicke Profil der Michelin-Reifen war beinahe abgefahren, die Räder eierten von den Schlägen, die sie erlitten hatten, der zuverlässige Motor fing an, seltsame Geräusche zu machen, und Dampf stieg aus dem Kühlergrill auf. Doch der großartige Motor funktionierte noch immer.
»Ich frage mich, was Cromwell vorhat«, sagte Bell. »Er ist zu spät dran, um heute noch die Bank zu überfallen. Die ist bis morgen früh geschlossen.«
»Es ist Freitag«, erwiderte Bronson. »Die Banken in San Diego haben bis neun Uhr abends geöffnet.«
Sie brausten die Indiana Street entlang, die parallel zu den Schienen verlief. Der Bahnhof war keine zwei Kilometer mehr entfernt, als Bell einen kurzen Blick auf einen Zug mit nur einem Waggon erhaschte, der langsamer wurde und schließlich stehen blieb.
Die Lokomotive, die den Pullmanwagen zog, hielt auf dem vierten Gleis von der Straße aus gesehen. Rauch stieg träge aus dem Schornstein auf, als der Lokführer Dampf aus dem Kessel abließ. Der Heizer war auf den Kessel geklettert, um Wasser aus einem großen Holztank aufzunehmen. In diesem Moment ging in dem Pullmanwagen, der nun in anderthalb Kilometern Entfernung vom Bahnhof stand, das Licht an.
Bell war augenblicklich klar, dass es sich um Cromwells Privatzug handelte.
Er zögerte nicht, riss das Lenkrad nach links und jagte den Locomobile unter wildem Geholper über die Gleise. Als er drei Gleise hinter sich hatte, waren alle vier abgefahrenen Reifen geplatzt, und den restlichen Weg zum Zug fuhr er auf Felgen, die wie Meteore Funken sprühten, wenn sie gegen die Stahlschienen stießen.
Bronson sagte nichts. Er war wie gelähmt gewesen, doch dann hatte er den Zug gesehen und verstanden, was Bell vorhatte. Seine Anspannung steigerte sich zu Begeisterung, als ihm klar wurde, dass sie nach achthundert Kilometern halsbrecherischer Fahrt in unmittelbarer Nähe ihres Ziels waren.
Bell brachte den Locomobile direkt vor der Lokomotive quer zu den Gleisen zum Stehen. Das zerbeulte Fahrzeug stand nun mit überhitztem, knisterndem Motor, dampfendem Kühler und dem Geruch nach verbranntem Gummi da. Die verrückte und wilde Jagd war genau vor der Beute, die sie über Stock und Stein verfolgt hatten, zu einem glücklichen Ende gekommen.
»Vielleicht überstürzen wir die Sache«, sagte Bronson. »Er hat noch nicht versucht, die Bank zu überfallen. Ohne eine strafbare Handlung können wir ihn nicht verhaften.«
»Vielleicht. Aber auf der Fahrt hierher von San Francisco hatte ich viel Zeit zum Nachdenken. Es wäre besser, wenn
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