Höllenjagd
Ledermantel glich einem Sumpfungeheuer, bis er die Schutzbrille abnahm.
»Mein Gott, Horace - ich habe Sie gar nicht erkannt!«, sagte der kräftige Mann mit dem gebräunten Gesicht und den scharfen Zügen. Mit seinen einsfünfundneunzig überragte Harrington sowohl Bell als auch Bronson.
Bronson stieg mit steifen Bewegungen aus und streckte die schmerzenden Glieder. »Ich bezweifle, dass meine eigene Mutter mich so erkennen würde.« Er drehte sich um und zeigte auf Bell, der noch immer erschöpft hinter dem Lenkrad saß. »Bob, das ist Isaac Bell. Isaac, Bob Harrington.«
Bell zog einen Handschuh aus und schüttelte Harrington die Hand. »Schön, Sie kennenzulernen, Bob.«
»Ich habe schon viel von Ihren spektakulären Einsätzen gehört, Isaac. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen:«
Bell verschwendete keine weitere Zeit auf Höflichkeiten. »Was ist mit Cromwells Privatzug? Können wir ihn aufhalten?«
Harrington schüttelte langsam den Kopf. »Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber der reguläre Personenzug ist in Ventura auf ein Abstellgleis ausgewichen und hat ihn durchgelassen. In Los Angeles hat er den Bahnhof umfahren und die Schnellstrecke nach San Diego genommen. Damit hat er fast eine halbe Stunde gewonnen.«
»Wie lange ist das her?«, fragte Bell, dessen Hoffnungen schwanden.
»Ungefähr zwanzig Minuten.«
»Er ist uns um zehn Minuten zuvorgekommen«, stellte Bronson enttäuscht fest.
Bell blickte auf den müden Locomobile und fragte sich, ob noch genug für einen letzten Spurt drinsteckte. Ohne in den Spiegel zu schauen, wusste er, dass er noch müder war als der Locomobile.
Harrington betrachtete die beiden erschöpften Männer. »Ich kann meine Agenten in San Diego damit beauftragen, Cromwell zu verhaften, wenn sein Sonderzug in den Bahnhof einläuft.«
»Er dürfte kaum so dumm sein, am Bahnhof auszusteigen«, sagte Bell. »Er wird den Zug außerhalb der Stadt anhalten und in einer seiner Verkleidungen auftauchen.«
»Was denken Sie, wohin er will?«
»Zu einer der Banken.«
»Welcher?«, fragte Harrington. »Es gibt mindestens zehn.«
»Die mit dem größten Vermögen.«
»Sie glauben wirklich, dass ein einzelner Verbrecher es wagen würde, die Wells Fargo Bank von San Diego auszurauben?«, fragte Harrington skeptisch. »Es ist die sicherste Bank in Südkalifornien.«
»Ein Grund mehr, sie zu überfallen«, antwortete Bell. »Cromwell liebt die Herausforderung.«
»Ich rufe dort an und lasse Agenten am Eingang postieren.«
Bell schüttelte zweifelnd den Kopf. »Er wird sie bemerken und die Sache abblasen. Solange wir ihn nicht auf frischer Tat ertappen, haben wir nicht genug Beweise, um ihn zu überführen. Und Ihre Agenten haben nicht die geringste Ahnung, wie er aussieht. Und selbst wenn, würden sie ihn in seiner Verkleidung nicht erkennen. Darin ist er wirklich gut!«
»Wir können nicht herumstehen und ihn ungehindert in die Bank spazieren lassen«, protestierte Bronson. »Er wird jeden umbringen, der sich darin aufhält.«
Bell wandte sich an Harrington. »Sagen Sie Ihren Agenten, dass sie die Bank schließen sollen, bis Horace und ich dort sind.«
»Sie fahren doch nicht weiter bis San Diego?«, fragte Harrington ungläubig.
»Doch«, erwiderte Bell schlicht, als er müde hinter das Lenkrad des Locomobile kroch. »Welcher ist der schnellste Weg in Richtung Süden?«
»Bleiben Sie einfach auf der Straße neben den Bahngleisen. Sie führt Sie direkt nach San Diego.«
»Wie ist ihr Zustand?«
»Gut, auf der gesamten Strecke«, antwortete Harrington. Er blickte mit zweifelnder Miene auf das müde Gefährt. »Sie müssten schnell vorankommen, sofern Ihr Automobil durchhält.«
»Es hat uns bis hierher gebracht«, sagte Bell mit gezwungenem Lächeln. »Es wird uns schon nicht im Stich lassen.«
»Sagen Sie Ihren Agenten, dass wir auf dem Weg sind«, bat Bronson erschöpft. Er sah aus wie ein Mann, der auf dem Weg zum Galgen war.
Harrington blickte dem Locomobile nach, wie er davonpreschte. Dann schüttelte er langsam den Kopf und ging zum nächsten Telefon.
Zehn Minuten später erreichte Bell die Stadtgrenze und nahm über dem Adler auf dem großen Messingkühler die Straße nach San Diego ins Visier. Selbst nach der wilden Fahrt von San Francisco staunte Bronson noch immer über Bells Sachkundigkeit und Geschicklichkeit, wenn es darum ging, die richtige Motordrehzahl abzupassen, um die Kupplung kommen zu lassen, und den langen Messinggashebel zu
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