Höllenjagd
Dann ging er die Stufen hinauf und öffnete die Türen, die Cromwell zum Glück nicht abgeschlossen hatte. Drinnen sah es aus, als wäre es Sonntag und die Bank geschlossen. Kassenschalter, Schreibtische und andere Möbel wirkten, als wartete nur alles darauf, dass am Montagmorgen die Geschäfte wieder aufgenommen wurden. Der einzige sichtbare Schaden waren die zerborstenen Buntglasscheiben.
Bell war überrascht, als er entdeckte, dass der Safe offen stand. Er ging hinein und erkannte schnell, dass fast das gesamte Bargeld verschwunden war. Nur Münzen aus Silber und Gold und ein paar Geldscheine, deren Wert nicht mehr als fünf Dollar betrug, lagen noch in den Schubladen der Kassierer und ihren separaten Kassetten. Jacob Cromwell war dagewesen. Die Zeit, die Bell damit zugebracht hatte, bei der Rettung eines kleinen Jungen zu helfen, hatte verhindert, dass er Cromwell beim Ausräumen der Barschaft seiner Bank schnappte.
Für Bell gab es keinen Zweifel mehr, dass Cromwell vorhatte, die Katastrophe zu nutzen, um aus der Stadt und über die Grenze zu fliehen. Bell fluchte, weil sein Locomobile nicht einsatzbereit war. Zu Fuß durch die Ruinen zu laufen kostete ihn Zeit und Kraft. Er verließ die Bank und ging in Richtung Zollhaus, das ebenfalls auf dem Weg der Feuersbrunst lag.
Marion hielt sich nicht ganz an Bells Anweisungen. Gegen seinen Rat stieg sie noch einmal die wacklige Treppe zu ihrer Wohnung hinauf. Sie packte einen großen Koffer mit Familienfotos, persönlichen Erinnerungen und Schmuck und legte einige ihrer wertvollsten Kleidungsstücke obendrauf. Sie lächelte, als sie zwei Abendkleider und einen Seidenumhang zusammenfaltete. Nur eine Frau würde auch hübsche Sachen retten. Einem Mann wären seine guten Anzüge egal.
Marion schleppte den Koffer die Treppe hinunter und schloss sich den anderen Leuten auf der Straße an, die ihr Zuhause verloren hatten und nun Koffer mit ihren wenigen Habseligkeiten, Bettzeug und Haushalts Gegenständen trugen oder hinter sich her schleiften. Als sie die Hügel der Stadt hinaufgingen, blickte niemand zurück zu den Häusern und Wohnungen, denn sie wollten nicht bei den zerstörten Überresten dessen verweilen, was früher einmal ihr friedliches und behagliches Zuhause gewesen war.
Zehntausende flohen vor den unerbittlich wütenden Bränden. Seltsamerweise gab es weder Panik noch Chaos. Keine der Frauen weinte, keiner der Männer verlor die Beherrschung. Hinter ihnen zogen sich ganze Reihen von Soldatenposten vor den Flammen zurück und drängten die Menschenmenge zum Weitergehen, wobei sie hin und wieder die Leute vorantreiben mussten, die erschöpft waren und sich ausruhen wollten.
Hügelauf und hügelab, Block für Block, Kilometer um Kilometer schwere Koffer zu schleppen wurde schließlich zu anstrengend. Zu Tausenden wurden Koffer mitsamt ihrem Inhalt von den völlig entkräfteten Besitzern zurückgelassen. Ein paar Leute fanden Schaufeln und vergruben die Koffer auf leeren Parzellen, in der Hoffnung, sie nach dem Erlöschen der Brände bergen zu können.
Marion wuchs in einem Maße über sich selbst hinaus, wie sie es nicht für möglich gehalten hätte. Sie trug oder zog ihren Koffer wie in Trance. Stunde um Stunde quälte sie sich allein damit ab, da ihr niemand Hilfe anbot. Die Männer und ihre Familien waren ganz damit beschäftigt, ihre eigenen Habseligkeiten zu retten. Als Marion ihren Koffer schließlich nicht länger tragen konnte, fragte sie ein junger Bursche, ob er helfen könnte. Marion weinte, als sie ihm dankte.
Erst gegen fünf Uhr morgens erreichten sie und ihr Helfer den Golden Gate Park, wo sie auf einen Soldaten trafen, der sie zu Zelten für die Flüchtlinge führte. Sie dankte dem Jungen, der ihr Geld ablehnte, und betrat ein Zelt, in dem sie auf ein Feldbett sank und innerhalb von Sekunden eingeschlafen war.
Als Bell das Zollhaus erreichte, war es, als würde man durch eine Feuerwand laufen. Obwohl es spät in der Nacht war, wurde die Stadt von einem unheimlichen, orangefarben, flackernden Licht erhellt. Massen flohen vor den Flammen, nicht ohne zuvor hastig Sachen aus Häusern und Geschäften auf Wagen zu laden und sich in letzter Minute in Sicherheit zu bringen. Das Feuer kam von drei Seiten auf das Zollhaus zu und bedrohte den gesamten Block. Soldaten auf den Dächern der umliegenden Häuser kämpften pausenlos gegen die Flammen an, um das Zollhaus zu retten, dessen obere Stockwerke vom Erdbeben schwer beschädigt waren. Die unteren
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