Höllenjagd
Kugeln, die er abbekommen hatte, lediglich ein kleines Ärgernis.
Bell konnte sich nicht bewegen, und es gab keine Möglichkeit, nach oben zu greifen, um zu versuchen, die Finger wegzuziehen, die sich in seinen Hals gruben. Kelly war Bell an Kraft weit überlegen. Und Bell zweifelte nicht daran, dass er keineswegs der Erste war, den Kelly erdrosseln würde. Und wenn er nicht schnellstens etwas unternahm, wäre er wahrscheinlich auch nicht der Letzte. Ihm wurde allmählich dunkel vor Augen.
Was Bell viel mehr erstaunte als die Feststellung, dass er nur Sekunden vom Tod entfernt war, waren die beiden Kugeln, die er Kelly in den Körper geschossen hatte. Er war sich ganz sicher, dass er den Goliath gejagt hatte. Bell blickte hinauf in zwei Augen, die kalt und böse waren. Außerdem hatte das Blut die untere Gesichtshälfte in eine hässliche rote Maske verwandelt. Was hielt ihn am Leben, warum ließen seine Kräfte nicht nach? Der Kerl konnte kein menschliches Wesen sein.
Dann spürte Bell auf einmal, dass der Druck leicht nachließ. Anstatt die Hände von seinem Hals wegzuziehen, fasste Bell nach oben und legte seine Daumen auf Kellys ausdruckslose Augen, wohl wissend, dass dies seine letzte Bewegung wäre, bevor er in Dunkelheit versinken würde. Mit einer ruckartigen Drehung wand sich Bell unter Kelly hervor.
Der starke Boxer ächzte und legte eine Hand auf die Augen. Blind kroch er auf Bell zu, der kräftig zutrat und Kelly in den Bauch traf. Erst dann sah er die beiden Schusswunden, die das Hemd unterhalb des Brustkorbs rot färbten. Was ließ ihn weitermachen? Er hätte schon längst tot sein müssen, wunderte sich Bell. Stattdessen packte Kelly Bells Bein.
Bell spürte, wie er über den Teppich gezogen wurde, der von Kellys Blut getränkt war. Er trat mit dem freien Fuß nach ihm, der das nicht mal zu bemerken schien. Der Griff um Bells Wade wurde stärker. Fingernägel gruben sich durch die Hose in sein Fleisch. Kelly zog ihn näher heran, und Bell konnte ein verzerrtes Gesicht sehen, in dem die Augen hasserfüllt blitzten.
Es wurde Zeit, diesen grausigen Kampf zu beenden. Bells rechte Hand umklammerte immer noch den Colt. Mit tödlicher Ruhe hob er den Lauf, bis die Mündung nur noch Zentimeter von Kellys Gesicht entfernt war, dann drückte er kühl und überlegt ab und jagte eine Kugel vom Kaliber 44 in Kellys rechtes Auge.
Es gab weder einen Schrei noch irgendein schreckliches Gurgeln. Aus Kellys Kehle stieg lediglich ein weiterer Seufzer auf, dann sank er wie ein Ungeheuer, das sich im Todeskampf wand, auf dem Teppich zusammen.
Bell setzte sich auf und massierte sich den Hals, während er vor Anstrengung keuchte. Er wandte sich zur Tür um, als Leute hereinkamen. Beim Anblick der riesigen Blutlache und des menschlichen Fleischbergs, dessen Gesicht wegen der Maske aus Blut nicht zu erkennen war, blieben sie schockiert stehen. Durch die goldenen Zähne, die zwischen den offenen und sich langsam rot überziehenden Lippen hervorschimmerten, sah sein Gesicht besonders grotesk aus.
Kelly war qualvoll gestorben - und wofür? Geld? Eine Schuld? Eine Vendetta? Letzteres auf gar keinen Fall. Bell hatte nie Ermittlungen gegen den Giganten der Barbary Coast geführt. Jemand musste ihn dafür bezahlt haben, Bell zu töten, und zwar reichlich.
Bell fragte sich, ob er es je erfahren würde.
Am nächsten Morgen stieg Bell aus der großen Porzellanbadewanne, trocknete das Wasser ab, das von seinem Körper tropfte, und betrachtete sich im Spiegel. Sein Hals sah nicht schön aus. Er war geschwollen und hatte dunkelrote Blutergüsse in den klaren Umrissen von Red Kellys Fingern, wo sie sich ins Fleisch gegraben hatten. Er zog ein sauberes weißes Hemd an und war froh, dass der hohe, gestärkte Kragen die Blutergüsse überdeckte, auch wenn er auf der empfindlichen Haut rieb.
Es waren nicht die einzigen bläulich-violetten Spuren auf seinem schmerzenden Körper. Mehrere kamen vom Sturz über den Stuhl und von Kellys roher Kraft, mit der er ihn durch den Raum gegen die Wand geschleudert hatte. Sie reagierten empfindlich auf Berührung und würden nicht so schnell verschwinden.
Nachdem er den gewohnten Leinenanzug angezogen hatte, verließ Bell das Hotel und ging beim Büro der Western Union vorbei, um ein Telegramm an Joseph Van Dorn zu schicken und ihn über den Mordversuch zu unterrichten. Als er danach das Lokalbüro der Detektei betrat, stand Agnes Murphy auf und blickte ihn mit einem Ausdruck mütterlicher
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