Höllenjagd
Telluride First National Bank. Am nächsten Tag würde er sich mit dem Stadtsheriff und dem Bankdirektor treffen, um den Empfang für den Schlächter vorzubereiten, für den Fall, dass dieser der Versuchung erliegen und einen Überfall versuchen sollte. Er kam an der alten San Miguel Valley Bank vorbei, die Butch Cassidy siebzehn Jahre zuvor ausgeraubt hatte.
Die Luft wurde kalt, sobald mit der Sonne die Wärme hinter den Bergkuppen verschwunden war. Bell bemerkte, dass die Höhe von 2700 Metern ihn zwang, tiefer zu atmen. Er ließ die Saloons der Hauptstraße hinter sich und ging weiter zum New Sheridan Hotel.
Bell betrat die Eingangshalle und fragte den Concierge nach dem Hoteldirektor. Sofort kam ein Mann mit gerötetem Gesicht und Glatze mit schnellen Trippelschritten, die an eine Maus erinnerten, aus einem Büro. Er lächelte höflich, allerdings nicht besonders freundlich, und begutachtete kritisch Bells schäbige Erscheinung.
»Tut mir leid, sämtliche Zimmer sind belegt. Das Sheridan ist ausgebucht.«
»Ich möchte kein Zimmer«, sagte Bell. »Sind Sie Mr. Marshall Buckman?«
Das Lächeln wurde schmal und die Augen zu Schlitzen. »Ja, ich bin Buckman.«
»Ich bin Isaac Bell von der Detective Agency Van Dorn.«
Buckmans Augen nahmen wieder normale Größe an, und er verbeugte sich leicht. »Mr. Bell. Ich habe Ihr Telegramm erhalten. Erlauben Sie mir, Ihnen zu versichern, dass das Sheridan in jeder Weise kooperieren wird.«
»Das Wichtigste ist«, erklärte Bell, »gegenüber jedem, der fragt, zu behaupten, dass ich hier als Hausmeister arbeite.«
»Ja, selbstverständlich«, sagte Buckman in gönnerhaftem Tonfall.
»Danke, Mr. Buckman. Und jetzt, wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gern den besten Whiskey in Ihrer Bar probieren.«
»Wir schenken nur erstklassigen Whiskey von den besten Brennern aus. Im Sheridan wird kein hausgebrannter Fusel geduldet.«
Bell nickte, wandte Buckman den Rücken zu und ging an die Bar. Sein Blick fiel auf ein Schild, auf dem ein paar Verhaltensregeln für die Hotelgäste standen.
Schießen Sie nicht auf den Pianisten,
er tut verdammt noch mal sein Bestes.
Keine Pferde im ersten Stock erlaubt.
Nicht mehr als 5 in einem Bett.
Begräbnisse gehen aufs Haus.
Betten 50 Cent, mit Laken 75 Cent.
In der Tür trat er beiseite, als eine blonde Dame, deren Gesicht unter einem breitkrempigen Hut versteckt war, an ihm vorbeiging. Alles, was er sehen konnte, war, dass sie eine hübsche Figur hatte.
Hingegen beachtete sie den heruntergekommenen Mann, der sie vorbeiließ, nicht, als sie auf die mit Teppichen ausgelegte Treppe zusteuerte, die zu ihrem Zimmer hinaufführte.
Viel später tadelte sich Bell, die blonde Frau nicht erkannt zu haben, genauso wie sich Margaret Vorwürfe machte, erst zu begreifen, bei wem es sich um den heruntergekommenen Kerl handelte, als es bereits zu spät war.
24
Bell erklärte Sheriff Henry Pardee und Bankdirektor Murray Oxnard die Situation. Die drei Männer saßen an einem Tisch und nahmen ein Frühstück zu sich, das ihnen die Frau des Sheriffs servierte. Pardees Haus lag direkt hinter dem Büro des Sheriffs und dem Gefängnis. Er ging zur Tür, versicherte sich, dass sie abgeschlossen war, und zog die Vorhänge zu, sodass niemand hereinschauen konnte.
Bell war von dem Sheriff beeindruckt. Auf der einen Seite des Wohnzimmers stand ein wandhohes Regal, auf dem sich Werke von Shakespeare, Plato, Voltaire, Bacon und Emerson neben zahlreichen Bänden in Latein stapelten. Bell hatte noch nie einen Gesetzeshüter in einer Kleinstadt getroffen, der so belesen war.
Pardee fuhr sich mit der Hand durch seine dichte ergrauende Mähne und zupfte an seinem struppigen Schnurrbart. »Sie wollen damit also sagen, Mr. Bell, der Schlächter wird unsere Bank überfallen?«
»Natürlich kann ich mir nicht sicher sein«, antwortete Bell. »Aber wenn er seinen Prinzipien treu bleibt, wird ihn die große Lohnzahlung anlocken, die von der First National Bank in Denver hier angeliefert wird.«
»Ich weiß nichts von einem Geldtransport«, sagte Murray Oxnard. Er war ein großer, ruhiger Mann mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Er lächelte nur selten, und sein Gesicht hatte einen mürrischen Ausdruck.
»Es gibt keinen Geldtransport«, erklärte Bell. »Es ist eine Falle, um den Verbrecher aus seinem Versteck zu locken.«
Pardee trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Wenn er so schlau ist, wie ich gelesen habe, wird er die wahren Umstände
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