Höllenjagd
Bell erfuhr, dass er während der Geschäftszeiten geschlossen war und nur geöffnet wurde, wenn Bargeld entnommen oder das gesamte Bargeld samt Münzen nach Schließung dorthin zurückgebracht wurde.
»Sie haben keinen Tresorraum?«, wollte Bell von Oxnard wissen.
»Das ist nicht nötig. Lohngelder werden normalerweise unter schwerer Bewachung am zweiten Tag nach Anlieferung hinauf zu den Minen gebracht.«
»Warum erst am zweiten Tag?«
»Wir brauchen die Zeit, um das Geld zu zählen, das von der Bank in Denver angeliefert wird.«
»Also hat der Verbrecher nur begrenzt Zeit.«
Oxnard nickte. »Wenn er die Sache in Angriff nehmen will, muss es morgen geschehen.«
»Haben Sie irgendwelche neuen Kunden gesehen oder mit ihnen gesprochen, die einfach in die Bank gekommen und dann wieder verschwunden sind?«
»Ein neuer Geschäftsführer der Liberty Bell Mine hat ein Konto eröffnet.« Er hielt inne, um nachdenklich an die Decke zu blicken. »Dann war da noch eine ausgesprochen attraktive Frau, die ein Konto eröffnet hat. Ein sehr bescheidenes Konto. Wirklich traurig.«
»Traurig?«
»Ihr Mann hat sie in Iowa sitzen lassen, um in Colorado sein Glück zu machen. Er hat sich nicht mehr bei ihr gemeldet. Das Letzte, was sie dann über ihn erfuhr, berichtete ihr ein Freund, ein Schaffner bei der Eisenbahn: Ihr Mann hätte ihm erzählt, dass er nach Telluride gehen wollte, um in den Minen zu arbeiten. Sie ist hierhergekommen, um nach ihm zu suchen. Armes Mädchen. Es besteht die Möglichkeit, dass er zu den vielen gehört, die in den Minen gestorben sind.«
»Ich hätte gern den Namen des Geschäftsführers«, sagte Bell, »damit ich ihn überprüfen kann.«
»Ich sehe mal nach.« Oxnard verließ das Büro und war innerhalb einer Minute zurück. »Sein Name ist Oscar Reynolds.«
»Danke.«
Oxnard sah Bell an. »Wollen Sie die Frau nicht überprüfen?«
»Der Bankräuber hat nie mit einer Frau zusammengearbeitet - übrigens auch nicht mit einem Mann. Er begeht seine Verbrechen immer allein.«
Oxnard seufzte. »Wie auch immer. Das arme Ding hat nur zwei Dollar auf das Konto eingezahlt. Um zu essen, muss sie wahrscheinlich in einem der Freudenhäuser arbeiten, da Arbeit für Frauen in Telluride rar gesät ist. Und die wenigen Stellen, die es gibt, sind von den Frauen der Minenarbeiter besetzt.«
»Zur Sicherheit hätte ich auch gern ihren Namen.«
»Rachel Jordan.«
Bell lachte leise auf. »An ihren Namen können Sie sich mühelos erinnern.«
Oxnard lächelte. »Einen Namen, der zu einem hübschen Gesicht gehört, vergisst man nicht so leicht.«
»Hat sie gesagt, wo sie wohnt?«
»Nein, aber ich kann mir eigentlich nur eine Krippe vorstellen.« Er blickte Bell verschlagen an. »Wollen Sie nach ihr suchen?«
»Nein«, sagte Bell nachdenklich. »Ich glaube kaum, dass der Schlächter eine Frau ist.«
25
Margaret musste nicht das Leben einer Prostituierten in einem Bordell an der Pacific Avenue erdulden. Sie wohnte stilvoll im New Sheridan Hotel. Nachdem sie bei der städtischen Bank ein bescheidenes Konto eröffnet hatte, um den Grundriss, die Anzahl und Verteilung der Mitarbeiter und den Tresortyp auszuspionieren, machte sie die Runde bei den Bergbaugesellschaften, um Nachforschungen über einen verschwundenen Ehemann anzustellen, der niemals existiert hatte. Ihre Bemühungen ließen ihre Geschichte glaubwürdig erscheinen, und bald war sie Gegenstand von Klatsch in der Stadt.
Sie ging sogar so weit, Sheriff Pardee mit ihrer Lügengeschichte zu behelligen, um zu sehen, was für ein Typ er war. Mrs. Alice Pardee kam ins Büro, als Margaret den Sheriff um Unterstützung bei der Suche nach ihrem Mann bat. Alice empfand augenblicklich Bedauern für die Frau in ihrem billigen, abgetragenen Baumwollkleid, die ihre traurige Geschichte einer verlassenen Ehefrau erzählte, die verzweifelt nach ihrem Mann suchte. Alice nahm an, dass Rachel Jordan halb verhungert sein musste, und lud sie zum Abendessen ein. Margaret nahm das Angebot an und kam in demselben billigen Kleid, das sie in San Francisco in einem Geschäft für gebrauchte Kleidung gekauft hatte.
An diesem Abend unternahm sie den Versuch, Alice Pardee in der Küche zu helfen, doch für die Frau des Sheriffs war es offensichtlich, dass ihr Gast nicht mit dem Kochen vertraut war. Alice servierte hausgemachte Lammkoteletts, gekochte Kartoffeln und gedünstetes Gemüse, gekrönt von einem Apfelkuchen als Dessert. Nach dem Abendessen wurde Tee serviert, und sie
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