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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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brüllte, krakeelte, wimmerte, jammerte, stöhnte, weinte, seufzte, klagte, sang oder pfiff vor sich hin. Ein zahnloser Alter schlug mit seinem Blechnapf gegen einen der Holzpfeiler, die die niedrige Decke trugen.
    Am liebsten hätte sie sich auf dem Absatz umgedreht und wäre vor dem Lärm und dem Gestank geflüchtet.
    Schlimmer, dachte sie, kann es selbst in der Hölle nicht sein. Es ist ein bestialischer Gestank. Nach Blut, nach Eiter, Fäulnis, Verwesung, nach Unrat und allem, was ein Mensch gerne hinter sich lässt. Nur weg hier! Schon war sie über den Gang, doch das Elend verfolgte sie von Krankensaal zu Krankensaal. Überall das gleiche Bild, der gleiche Lärm, der gleiche Gestank. Auch in den Gängen lagen Siechende, stierten sie aus blöden Augen an oder bettelten lallend nach etwas, das sie wohl selbst nicht mehr kannten. Endlich stieß Gustelies auf einen Antoniter.
    «Bruder, sagt mir bitte, wo ich Pater Nau finde.»
    Der Mönch hob bedauernd die Schultern. «Den kenne ich nicht. Die Abendmesse in der Hauskapelle liest unser Abt selbst.»
    «Und der verrückte Junge? Wisst Ihr, wo der steckt?»
    Der Antoniter lachte. «Die meisten, die hier sind, gehören in die Tollkammer. Welchen Jungen meint Ihr?»
    Gustelies schluckte. «Den, den sie den Menschenfresser nennen. Den suche ich.»
    Der Pater zog die Augenbrauen nach oben. «Was wollt Ihr von ihm?»
    «Ich bin die Haushälterin des Paters, der ihn exorzieren soll.»
    Die Miene des Antoniters erhellte sich. «Jetzt weiß ich, wen Ihr meint. Geht in die Kapelle. Der Pater und der Junge haben sich dort eingeschlossen. Vorhin waren einige Krawallbrüder ins Spital eingedrungen, die dem Jungen Übles wollten. Wir konnten sie nur mit Mühe wieder aus dem Haus bekommen. Nun warten sie draußen auf den Menschenfresser.»
    «Ich hoffe, sie hocken dort, bis sie schwarz werden», knurrte Gustelies. «Und jetzt zeigt mir den Weg. Bitte.»
     
    Hella war ein wenig beklommen, als sie sich dem Roten Ochsen näherte. Schon von draußen konnte sie den Lärm hören, der drinnen in der Gaststube veranstaltet wurde. Vorsichtig öffnete sie die Tür und trat ein. Der Geruch von gebratenem Hammelfleisch und schalem Bier schlug ihr entgegen und ging ihr sofort auf den Magen. Trotzdem ließ sie sich an einem abgesplitterten Holztisch nieder, der von klebrigen Ringen übersät war. Eine Frau mit Lederschürze um den Bauch kam zu ihr. Sie wischte mit einem schmutzstarren Lappen über die Tischplatte, warf zwei Bröckchen Fett einfach auf den Boden und fegte die Krümel mit der Hand hinterher.
    «Was wollt Ihr?», fragte sie nicht unfreundlich.
    «Ein Zimmer.»
    «Es ist Messe, junge Frau. Bei uns ist alles belegt. Und überhaupt, wie kommt eine Frau wie Ihr dazu, allein zu reisen?»
    Hella schlug den Blick nieder. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie schwieg, knetete nur ihre Hände im Schoß. Nach einer kleinen Weile erwiderte sie: «Dann gehe ich wohl besser wieder.» Sie sah auf, griff nach ihrer Tasche. «Habt vielen Dank.»
    «So wartet doch! Seid nicht gleich gekränkt. Ich habe doch nicht wissen können, dass Ihr in Nöten seid. Eine winzige Kammer ist noch frei. Nichts Besonderes, aber sauber und ordentlich. Wenn Ihr Euch damit begnügen wollt, dann soll es mir recht sein.»
    Dankbar sah Hella die Wirtin an. Die gab ihr die Hand. «Ich heiße Isolde», sagte sie. «Kommt nachher und holt Euch den Schlüssel. Wenn was ist, wendet Euch an mich.» Sie hielt inne und sah sich in ihrer Schänke um. «Und vor denen braucht Ihr keine Angst zu haben. Sie sind laut und schmutzig, aber sie beißen nicht.» Lachend nahm sie den dreckigen Lappen und ging.
    Hella sah sich vorsichtig um. Am Tisch neben ihr saßen vier Männer, die sich lautstark bei einem Würfelspiel vergnügten. Sie schrien und lachten, schlugen auf den Tisch, dass die Becher und Kannen hüpften. Am Tisch dahinter saßen zwei Kaufherren, die sich in einer fremden Sprache unterhielten. Vor sich hatten sie ein Papier liegen, auf das sie starrten und mit dem Finger deuteten. An der gegenüberliegenden Wand wurden bereits die Tische und Bänke zur Seite geschoben. Reisende, die kein Geld für eine Kammer hatten, breiteten Decken auf dem Boden aus, wickelten sich in ihre Umhänge, legten ihre Beutel unter den Kopf.
    Hella stand auf. «Ich bin müde», sagte sie zu Isolde. «Gern würde ich jetzt in meine Kammer gehen.»
    «Mir ist’s recht», erwiderte die Wirtin und überreichte Hella den Schlüssel, der an einer

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