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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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ausgefransten Schnur hing. «Schließt hinter Euch zu», riet sie. «Unser Gasthof ist ein ordentliches Haus. Aber zur Messe kommen Leute, die wir nicht kennen. Sicher ist sicher. Habt Ihr Gepäck?»
    Hella deutete auf ihren Beutel.
    «Johann, der Gehilfe, wird ihn Euch hochtragen.»
    Sogleich war ein junger Mann zur Stelle, der Hella wegen seiner Schönheit auffiel. Er trug das helle Haar bis auf die Schulter und blickte mit klaren Augen und einem offenen Gesicht in die Welt. Als er lächelte, zeigte er eine Reihe von weißen, gesunden Zähnen. Die Lippen standen prall wie Blütenknospen in seinem Gesicht. Mit langsamen Bewegungen, die an einen Tanz erinnerten, setzte er sich in Bewegung. Geschmeidig war sein Gang, dabei ganz straff gespannt und kraftvoll. Wie ein Tier, dachte Hella und betrachtete ihn mit Verwunderung. Wie ein schönes, edles Tier. Da neigte er den Kopf, und Hella schrak ein wenig zurück. Denn die Haare gaben nun das rechte Ohr frei. Ein beinah makelloses Ohr, wenn der deutliche Schlitz nicht zu sehen gewesen wäre.
    Er ist ein Verbrecher, dachte Hella, und wunderte sich nun nicht mehr darüber, dass ein so schöner Mann in einer Absteige wie dem Roten Ochsen sein Auskommen fand.
    Der Gehilfe nahm ihr den Beutel ab und stieg die Stufen voran nach oben. Hella wollte ihm gerade folgen, als sie eine bekannte Stimme hörte.
     
    «Da bist du ja endlich», sprach Pater Nau, als er seine Schwester vor sich sah. Er hockte in der vordersten Kirchenbankund hatte einen Arm um die Schultern des irren Jungen gelegt. Der glotzte mit aufgerissenen Augen auf die Frau mit dem roten Gesicht.
    Gustelies, noch ganz im Banne der Ereignisse, stemmte die Hände in die Hüften und zeterte: «Da bist du ja endlich, da bist du ja endlich! Was soll das denn heißen? Ist es meine Aufgabe als Haushälterin, dich und deine Schäflein vor der Meute zu beschützen, he?» Sie warf die Arme nach oben und blickte zum Himmel hinauf. «Nur Gott, der Herr, weiß, wie ich mich den ganzen Tag abschufte. Warum, oh Herr, hast du mich so gestraft?»
    Während Pater Nau leise kicherte, begann der Junge zu weinen. Sofort stellte Gustelies die Lamentiererei ein und beugte sich zu dem Verängstigten. Sie zog seinen Kopf an ihre Brust, wiegte ihn hin und her und strich ihm besänftigend über den Rücken. Schon bald beruhigte sich Josef. Er riss die Zähne auseinander, stieß dumpfe Laute aus, und der Speichel lief ihm über das Kinn.
    «Er fühlt sich wohl bei dir», stellte Pater Nau fest. «Ich habe stundenlang auf ihn eingeredet, aber gelächelt hat der Junge bei mir nie. Woran das wohl liegt?»
    «Josef hat Menschenkenntnis», versetzte Gustelies. «Und jetzt sag mir, was wir hier sollen.»
    «Na ja», begann der Pater. «Du solltest mir eigentlich helfen, den Jungen zu beruhigen. Die Büttel, musst du wissen, werden nämlich gleich kommen und ihn holen.»
    «Die Büttel? Was haben die denn mit dem Jungen zu schaffen?»
    Der Pater schluckte. «Er   … er   … na ja, er soll ins Verlies.»
    «INS VERLIES?»
    «Ja, jetzt schrei doch nicht, Herrgott. Das ist doch nurfür kurze Zeit. Nur so lange, bis die Leute überzeugt sind, dass der Junge fest und sicher in Gewahrsam ist, verstehst du? Zu seiner eigenen Sicherheit sozusagen. Vor aller Augen soll er abgeführt werden, damit Ruhe in der Stadt herrscht. Und dann wird es Zeit für den Exorzismus.»
    «Das glaube ich nicht. Wer ist denn auf diese hirnrissige Idee gekommen? Ihr könnt doch den armen Jungen nicht ins Verlies sperren. Kannst du dir vorstellen, welche Angst er da erleidet?»
    Pater Nau hob die Hände. «Was soll ich denn sonst machen? Seine Mutter ist nicht in der Lage, ihm beizustehen. Im Verlies ist er wenigstens sicher.»
    Gustelies zog den Jungen wieder an sich. «Armer Kerl», flüsterte sie. «Mit dir kann man es ja machen, nicht wahr?» Dann hob sie den Blick und sah ins Weite. «Vielleicht ist das gar kein schlechter Einfall», murmelte sie vor sich her. «Immerhin ist Josef dort wirklich in Sicherheit. Und morgen ist ein neuer Tag. Wir werden ihn vielleicht schon morgen zu uns ins Pfarrhaus holen.»
    «Bist du von Sinnen?», fragte der Pater. «Hast du vielleicht schon einmal daran gedacht, dass der Junge wirklich etwas mit den Leichenteilen zu tun haben könnte?»
    «Ach was!» Gustelies winkte ab. «Er ist überhaupt nicht gereizt oder angriffslustig. Ruhig und friedlich ist er, das siehst du doch.»
    Pater Nau wiegte den Kopf. «Darauf würde ich mich nicht

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