Hoellennacht
damals ein eindeutiger Beweis, und er ist es immer noch.«
» Ist ganz schön lange her«, meinte Nightingale.
» Etwas mehr als zweitausend Jahre«, antwortete der Pfarrer, » was in Gottes Zeitrechnung kaum mehr als ein Blinzeln ist. Wir können nicht alle Viertelstunde einen neuen Beweis verlangen. Er hat uns einen Beweis gegeben, und wir haben die Bibel, um uns daran zu erinnern.«
» Aber das reicht nicht«, sagte Nightingale.
» Ihnen vielleicht nicht. Aber haben Sie die Bibel gelesen?«
» Nein«, gab Nightingale zu.
» Und Sie sind kein Kirchgänger, wie können Sie da erwarten, Gottes Botschaft zu hören?«
Nightingale seufzte und streckte die Beine aus. » Sie sind sich vollkommen sicher, oder? Sie sind sich sicher, dass Gott existiert und dass Sie die richtige Entscheidung getroffen haben, als Sie Priester wurden.«
» Das bin ich«, antwortete der Pfarrer. » Sagen Sie mir, Jack, können Sie dasselbe von den Entscheidungen behaupten, die Sie in Ihrem Leben getroffen haben?«
Nightingale lächelte kläglich. » Eins zu null für Sie«, sagte er. » Und was ist mit dem Teufel? Glauben Sie an den Teufel?«
» Ohne jeden Zweifel«, antwortete der Pfarrer. » Und wenn Sie Beweise wollen, will mir scheinen, dass Sie sich vor Belegen für die Existenz des Teufels gar nicht mehr retten können.«
» Sie glauben, dass das Böse, was geschieht, das Werk des Teufels ist?«
» Sie nicht?«
» Nach meiner Erfahrung tun böse Menschen böse Dinge«, sagte Nightingale.
» Aber wer sorgt dafür, dass Menschen böse werden? Sie glauben nicht, dass es da Einflüsse geben könnte?«
» Und diese Einflüsse kommen vom Teufel? Ist es das, was Sie sagen?«
» Vom Teufel. Von Satan. Vom Antichrist. Ja, das glaube ich wirklich. Ich glaube, Satan will, dass die Menschen sich in seinem Sinne verhalten und dass Gott das Gegenteil von ihnen verlangt. Wir haben einen freien Willen, und so ist es unsere eigene Entscheidung, wem wir dienen.«
» Wie gut sind Sie in Geographie, Peter?«, fragte Nightingale.
» Geographie?«
» Ich habe vor ein paar Tagen mit einem anderen Geistlichen gesprochen und ihn nach der Hölle gefragt.«
» Mit einem Anglikaner?«
» Ich denke schon«, antwortete Nightingale.
» Dann haben Sie den Falschen gefragt«, behauptete der Pfarrer. » Die Anglikaner haben es nicht so mit Himmel und Hölle– sie interessieren sich mehr für Rassenbeziehungen, Schwulenehen und weibliche Bischöfe. Wenn Sie etwas über die Hölle wissen wollen, müssen Sie mit den Katholiken reden.«
» Sie glauben also an die Hölle?«
» Absolut«, antwortete der Pfarrer. » Und ich glaube, dass bestraft wird, wer die Gesetze Gottes bricht.«
» In der Hölle?«
» In der Hölle«, wiederholte der Pfarrer.
» Einschließlich Feuer, Schwefel und Teufeln mit Gabeln?«
» Nicht notwendigerweise, aber ich glaube an einen Ort ewiger Qual für Seelen. Das vollständige Gegenteil des Himmels.«
» Und Satan herrscht über die Hölle und alles, was dort geschieht?«
» So steht es in der Bibel.«
» Und wo ist die Hölle, Peter?«
Der Pfarrer kicherte. » Die Frage nach der Geographie«, sagte er. » Hand aufs Herz, ich weiß nicht, wo die Hölle ist. Aber das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass Sie nicht dorthin kommen.«
48
Nightingale machte sich gerade einen Kaffee, als es an der Tür klingelte. Er sah auf die Videosprechanlage im Flur und entdeckte, dass Jenny draußen auf der Straße stand, neben sich eine Brünette im Trenchcoat. Er drückte auf die Gegensprechtaste. » Heute nicht, danke«, sagte er. » Ich habe schon im Büro gespendet.«
» Mach die Tür auf, Jack Nightingale, sonst huste ich und pruste ich und puste dir dein Haus zusammen.«
» Willst du vielleicht durch meinen Kamin reinklettern?«
» Jack, es ist verdammt kalt hier draußen. Lass uns bitte rein.«
Nightingale drückte kichernd auf den Türöffner und flitzte dann in die Küche, um noch zwei Becher Kaffee zu machen. Als es an der Wohnungstür klingelte, machte er auf. Die Frau, die Jenny begleitete, war Ende zwanzig und hübsch. Sie hatte dunkelgrüne Augen und lange Wimpern.
» Das hier ist Barbara, eine Freundin von der Uni«, erklärte Jenny. » Wir besuchen übers Wochenende meine Familie, aber ich wollte erst noch sehen, ob mit dir alles in Ordnung ist.«
» Mir geht es gut.« Er schüttelte Barbara die Hand und nahm den beiden die Mäntel ab. » In der Küche läuft schon der Kaffee durch.« Er führte Barbara
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