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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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fragte sich, was es mit einem Mann anstellen würde, dessen Seele einem Teufel versprochen worden war. Würde es sein Fleisch verbrennen, so wie im Kino? Wenn er die Hand hineinsteckte, würde dann alles bis auf die Knochen weggeätzt, und würde er vor Schmerz schreiend aus der Kirche rennen? Er rollte den Ärmel hoch und hielt die Hand dicht über die Wasseroberfläche. » Vater unser im Himmel«, flüsterte er. Er tauchte die Hand ins Wasser. Es war kalt, kälter, als er erwartet hatte, und er keuchte auf. Er bog die Finger. Wenigstens konnte er Weihwasser anfassen, das war doch immerhin etwas.
    » Kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine Stimme hinter ihm.
    Nightingale zuckte zusammen, als wäre er gestochen worden. Er fuhr herum und stand einem jungen Priester gegenüber, der ihn mit offener Belustigung musterte. » Ich hatte…«, begann Nightingale, aber er wusste nicht, wie er den Satz zu Ende führen sollte. Was genau tat er da eigentlich? Überprüfte er die Macht von Weihwasser?
    » Hinter der Kirche ist eine Toilette mit Waschbecken«, sagte der Priester. Er war Ende zwanzig, hatte dichtes, rotes Haar und Sommersprossen auf Nase und Wangen. » Wenn Sie sich die Hände waschen wollen, können Sie das gerne benutzen.«
    » Ich habe mir nicht die Hände gewaschen«, sagte Nightingale. » Ich wollte einfach nur… Ehrlich gesagt, ich weiß, dass das verrückt klingt, aber ich wollte einfach nur Weihwasser berühren, das ist alles.« Er schüttelte sich die Tropfen von der Hand und krempelte seinen Ärmel wieder herunter.
    » Sie sehen mitgenommen aus«, sagte der Pfarrer.
    » Ich hatte einen merkwürdigen Tag«, antwortete Nightingale. » Ich habe gerade erfahren, dass meine Mutter Selbstmord begangen hat, und eben hätte ich mich beinahe um einen Baum gewickelt.«
    » Mein Beileid für Ihren Verlust«, sagte der Pfarrer. » War Ihre Mutter Katholikin?«
    » Ich weiß es nicht«, antwortete Nightingale. » Sie hat ein Kruzifix getragen, falls das irgendetwas bedeutet.« Er holte sein Päckchen Marlboro hervor und klopfte eine Zigarette heraus, doch der Pfarrer hob warnend den Zeigefinger.
    » Leider ist Rauchen in der Kirche nicht erlaubt«, sagte er.
    Nightingale lächelte. » Aber das ist doch eigentlich ganz schön paradox, bei all den Kerzen und dem Weihrauch, der hier abgebrannt wird.«
    » Es ist einfach nur eine der vielen Vorschriften, die unser Leben komplizierter machen, als es früher war«, bemerkte der Pfarrer. » Ich will lieber gar nicht erst mit den Müllabfuhrbestimmungen anfangen. Würden Sie übrig gebliebene Hostien als Nahrungsmittel einordnen? Unsere Gemeindeverwaltung tut das nämlich. Und Gott bewahre, dass sie versehentlich ihren Weg in die Recyclingtonne finden.«
    » Eigentlich hätte ich gedacht, Hostien seien das ultimative Recyclingobjekt, vom Brot zum Leib Christi.«
    Der Pfarrer kicherte. » Ich wünschte, das wäre mir eingefallen«, sagte er. » Sie waren natürlich nicht geweiht. Wenn sie einmal geweiht sind, müssen sie verwendet werden. Aber die hier waren schimmelig geworden, und darum musste ich sie wegwerfen. Aber weil sie essbar sind, wurden sie als Nahrungsmittel eingestuft, weshalb sie in der falschen Tonne lagen, und da hat so ein Paragraphenreiter entschieden, ich müsste entweder ein Bußgeld bezahlen oder mich vor Gericht rechtfertigen.« Er wies zur Tür. » Sie können draußen rauchen, und dann können wir unsere Unterhaltung gern dort fortsetzen.«
    Sie gingen zusammen aus der Kirche und zu einer Holzbank neben dem Friedhof. An der Rücklehne war eine kleine Messingplakette angebracht: » Im Gedächtnis an Mary, 1921–98, meine Seelengefährtin.« Sie setzten sich auf die Bank, und Nightingale steckte sich eine Zigarette an.
    » Noch einmal herzliches Beileid für Ihren Verlust«, sagte der Pfarrer. » Es ist immer schwierig, einen geliebten Menschen zu verlieren, aber das Band zwischen Mutter und Sohn scheint mir stärker zu sein als alle anderen.«
    » Danke«, sagte Nightingale. In Wirklichkeit war es so, dass der Tod Rebecca Keeleys keinerlei Verlustgefühl in ihm hervorrief, auch wenn sie seine biologische Mutter gewesen war. Sie hatte ihn zur Welt gebracht, doch das war schon alles, und er empfand nicht mehr für sie als für eine völlig Fremde. Aber er wusste, dass der Pfarrer es gut meinte, und so versuchte er, so auszusehen, als ginge der Tod seiner Mutter ihm nahe.
    » Sie sind kein Kirchgänger?«, fragte der Pfarrer.
    » Nein«, antwortete

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