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Hoellennacht

Hoellennacht

Titel: Hoellennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Leather
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durch den Raum, obwohl Fenster und Türen fest verschlossen waren. Die Kerzenflammen zuckten, und der aus dem Schmelztiegel aufsteigende Rauch bildete einen Kreis. Nightingale hustete, las aber weiter. Er fuhr mit dem Finger unter den Worten entlang, um die richtige Zeile nicht zu verlieren. Als er fertig war, hustete er erneut und sagte laut: » Bagahi laca bacabe.« Er schloss das Ringbuch.
    In dem Raum lag dichter Rauch, schwer wie Smog, widerlich süß, aber doch so beißend, dass seine Augen tränten.
    Was als Nächstes geschah, konnte Nightingale nie richtig erklären, nicht einmal sich selbst. Er war sich nicht sicher, ob seine Erinnerung stimmte. Die einzige Möglichkeit, das, was er gesehen hatte, mit dem Verstand zu erfassen, war die Vorstellung von Raum, der sich in sich selbst zurückfaltet, eine Folge flackernder Blitze. Dann verschwamm die Luft, und sie stand in der Spitze des Dreiecks. Sie war eine junge Frau um die zwanzig, mit bleichem Gesicht, dick aufgetragener Mascara, einem schwarzen T-Shirt mit einem weißen Totenkopf darauf, schwarzem Lederrock, schwarzen Stiefeln und einem Nietenhalsband. Sie sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. » Jack Nightingale«, sagte sie, die Stimme ein raues Flüstern. » Hast du es so eilig, zu mir zu kommen? Dir bleiben noch sechs Stunden. Warum verschwendest du sie?«
    Jetzt sah Nightingale, dass sich eine zweite Gestalt materialisiert hatte. Ein Hund, ein schwarz-weißer Collie, der zu Füßen seiner Herrin saß. » Ich kenne dich«, sagte Nightingale. » Wir sind uns schon einmal begegnet.«
    » Unsere Pfade haben sich von Zeit zu Zeit gekreuzt«, erwiderte sie. Ihre Augen waren schwarz und ausdruckslos, die Iris so dunkel, dass sie nahtlos mit den Pupillen verschmolz. » Ich habe in dich investiert, und ich wache über meine Investitionen.«
    » Bist du Proserpina? Die Prinzessin der Hölle?«
    » Wie förmlich«, sagte sie. Sie lachte, und der Boden erbebte. Der Hund an ihrer Seite knurrte drohend. Sie streckte die Hand aus und kraulte ihn hinter den Ohren. » Willst du meinen Ausweis sehen, Nightingale?« Sie lachte erneut, und diesmal vibrierte das ganze Haus. » Was hattest du denn erwartet? Hörner? Einen Quastenschwanz? Schwefelgestank? Für all das kann ich sorgen, falls du das willst.«
    » Aber du bist ein Mädchen«, sagte Nightingale.
    » Ich bin, was ich bin«, gab sie zurück. Mit gerunzelter Stirn sah sie auf seinen Hals. » Hübsches Kruzifix«, meinte sie.
    » Hat meiner Mutter gehört.«
    » Ich weiß«, sagte Proserpina.
    Sie lächelte. » Ich bin kein Vampir. Kruzifixe helfen nur gegen die Untoten.«
    » Ich trage es aus einem anderen Grund«, erklärte Nightingale. » Hast du sie getötet? Meine Mutter?«
    » Sie hat sich selbst getötet.«
    » Und meinen Onkel? Und Barry O’Brien? Und George Harrison?«
    » Den habe ich immer als das schwächste Mitglied der Band empfunden«, sagte Proserpina. » Ich meine, nimm doch bloß mal › My Sweet Lord‹. Heilige Scheiße, was sollte denn das?«
    » Du weißt, was ich meine«, sagte Nightingale. » Hast du diese Menschen getötet?«
    » Sie haben sich selbst umgebracht.«
    » Was ist mit Robbie?«
    Proserpina schüttelte ernst den Kopf. » Ein tragischer Unfall.«
    » Onkel Tommy? Tante Linda?«
    » Du hattest Pech mit deiner Verwandtschaft, nicht wahr?«
    » Du hast sie alle getötet, oder?«
    » Hast du in deiner Zeit als Polizist so Verdächtige verhört?«, fragte sie. » Keine sehr subtile Methode.«
    » Hast du sie getötet?«
    » Nein.«
    » Ich glaube dir nicht.«
    » Frag sie doch selbst«, erklärte Proserpina. Sie winkte matt mit der Hand, und vier Gestalten tauchten hinter ihr auf, zunächst verschwommen, dann aber deutlich sichtbar. Rechts stand Rebecca Keeley in einem langen, grauen Nachthemd. Blut tropfte von ihren Handgelenken, und ihre Augen waren weit aufgerissen und starr. Neben ihr befand sich Barry O’Brien, nackt und triefend nass. Seine Arme waren bis auf den Knochen aufgeschnitten, und Blut und Wasser tropften zu Boden. Neben O’Brien stand Onkel Tommy; der Hals hing grotesk zur Seite, und die Zähne waren gefletscht. Unmittelbar hinter ihm kroch Tante Linda über den Boden. Ihr Schädel war zertrümmert, Blut und Gehirnmasse flossen heraus.
    Proserpina ballte die Hand zu einer knorrigen Faust. Harrison tauchte auf. Die linke Seite seines Körpers war blutig zerschmettert, und ein Augapfel hing aus der Augenhöhle heraus. Neben ihm stand Robbie. Blut sickerte

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