Hoellenprinz
untersucht wurde. Ob Mirko inzwischen erfahren hatte, dass Daniel tot war? Was war passiert, nachdem Mirko gegangen war?
Leere.
Krampfhaft hielt sie sich an Geräuschen, Gerüchen und dem Geschmack vom Wodka fest, um den Film weiterlaufen zu lassen. Doch die Bilder blieben aus. Sollte sie Caro anrufen? Sie könnte ihr weiterhelfen. Das taten beste Freundinnen schlieÃlich! Doch dann kam sie sich wieder so albern vor mit ihrem Filmrissproblem. SchlieÃlich hatte sie ihren ersten Freund verloren.
Verloren â¦
Und sie? Wen hatte sie verloren? Ein tief sitzender Schmerz von einer GröÃe, die ihr Angst machte, meldete sich in ihrer Magengegend. Daniel ist ihr Leben, schon immer, seit sie denken kann â¦
»Du bist der Prinz und ich die Prinzessin, ja?«
Voller Vorfreude lege ich eine Tischdecke auf den kleinen Tisch in unserem Baumhaus und stelle Tassen und Teller darauf.
»Du kommst mich besuchen und machst mir einen Heiratsantrag. Dann feiern wir Hochzeit, mit den Vögeln, ja? Machst du mit?«
Daniel schaut mürrisch. »Das ist langweilig. Ich will kein gewöhnlicher Prinz sein. Und auch keine Vogelhochzeit feiern. Wir spielen, dass ich aus der Unterwelt komme.«
»Was ist die Unterwelt?«, frage ich und merke, wie sich Widerwillen in mir breitmacht. Manchmal hat Daniel komische Ideen, wenn wir zusammen spielen, wahrscheinlich, weil er zwei Jahre älter ist als ich.
»Die Unterwelt ist so was wie die Hölle«, antwortet Daniel.
»Aber in die Hölle kommen doch nur böse Menschen. Und du bist nicht böse, du bist mein Prinz.«
»Manchmal kommen auch gute Menschen in die Hölle. Das ist dann ein Fehler im System. Wir spielen, dass ich so ein Fehler bin.«
Ich verstehe nicht ganz, was er meint, bin aber einverstanden.
»Okay, du bist also mein Höllenprinz und wir heiraten. Das ist schön!«
6
A ngst. Lukas hatte schreckliche Angst. Er spürte sie vor allem in den Beinen, weshalb er es auf dem Stuhl kaum aushielt. Er musste sie kontrollieren, durfte nicht auffallen. Warum konnte man verdammt noch mal das reale Leben nicht zurückspulen? Jetzt saà er da mit der ganzen ScheiÃe, allein, ohne Daniel. Daniel â¦
D A N I E L!
Sein rechtes Bein zuckte. Er stand auf, ging auf und ab. Sollten die anderen ruhig sehen, dass er nervös war. Daniel war schlieÃlich sein Freund, sein einziger Freund â gewesen. ScheiÃe!
Jetzt, genau jetzt hätte es losgehen sollen, nach Australien. Der Flug ging um 15:25 Uhr. Es sollte für sie beide der Beginn eines neuen Lebens werden, alles war perfekt geplant. Stattdessen hockte er hier, in diesem versifften Raum. Warum war hier kein einziges Fenster geöffnet? Bei der Hitze und all den Menschen.
»Darf ich ein Fenster aufmachen?«, fragte er mit beherrschter Stimme den Polizisten, der mit einer Liste auf dem Schoà gleich rechts neben der Tür saÃ. Der nickte, ging wortlos zur Fensterfront und stellte eines der beiden auf Kippe. Als ob das helfen würde. DrauÃen waren 28 Grad und die Luft hier drinnen glich der einer Sauna. Aber er durfte nicht auffallen, also sagte er nichts mehr und ging stattdessen in die Nähe des Fensters. Die anderen saÃen ruhig auf ihren Stühlen, in Reih und Glied an den Wänden. Heute Morgen auf dem Zeltplatz hatte er noch mitgekriegt, wie die Beamten die Partymannschaft für die Vernehmungen in drei Zeitgruppen eingeteilt hatten. 15, 16 und 17 Uhr. Seit 25 Minuten war er nun hier und wartete auf seine Vernehmung. Als ob man das nicht hätte besser organisieren können.
»Setz dich hin, Alter, du machst mich wahnsinnig«, sagte Timo.
»Leck mich«, antwortete Lukas, hockte sich dann aber doch hin. Das Laufen machte ihn selbst wahnsinnig. Er holte sein Handy heraus, um sich mit einem Spiel abzulenken, aber er hatte keinen Akku mehr. Auch gut, dann konnten ihn auch wenigstens seine Eltern nicht anrufen. Er steckte das Handy zurück in die Hosentasche.
Luna kam. Sie würdigte ihn keines Blickes, setzte sich in die Ecke am anderen Ende des Raums, schlug die Beine übereinander und zückte sofort ihr Handy. Obwohl sie einfach nur dasaÃ, wie alle anderen auch, zog sie alle Aufmerksamkeit auf sich. Lukas hatte keine Ahnung, wie sie das machte. War es ihr extrem langes, gewelltes Haar, die riesigen Augen, die gebräunte Haut, ihr Blick, der durch den leicht geneigten Kopf immer von unten kam und
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