Hoellenprinz
sie. Oder ist es die Trauer, die einsam macht?
Trauer â¦
Ela spürte wieder diesen Schmerz. Er saà tief unten und glich einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen könnte. Nicht drüber nachdenken, sie musste jetzt einen klaren Kopf bewahren.
»Lukas von Erpenstein, Zimmer 203, bitte.« Lukas stand auf und verlieà den Raum.
Es ist ein bisschen wie beim Zahnarzt, nur schlimmer, dachte Ela und rieb sich ihre Hände. Sie schwitzten und waren trotzdem eiskalt. Ela hatte keine Ahnung, wie eine Vernehmung funktionierte, und sie hatte Angst. In dem Moment fiel ihr die Lüge von heute Morgen wieder ein. Ihr war doch wirklich nichts anderes übrig geblieben, oder? »Entschuldigen Sie, Frau Kommissarin, ich habe mich volllaufen lassen und auf dem Waldboden geschlafen, weil ich seit Jahren unglücklich verliebt bin.« Die Wahrheit klang einfach zu psycho. Sie klang nicht nur so, sie war es auch! Frau Volkmann hätte mit Sicherheit weiter gefragt: Wie und warum und seit wann ⦠Alle Antworten hätten sie nur noch weiter in die Psychoecke gedrängt.
Ela war sechs Jahre alt gewesen, als sie beschlossen hatte, Daniel zu lieben, es war an einem Sonntag gewesen â¦
Mama und Papa haben Besuch von den Teichmanns. Ihren blöden Sohn haben sie auch mitgebracht. Jannik. Der will Indianer spielen und dafür muss er mich an den Marterpfahl binden, sagt er. Er macht das Seil viel zu fest. Es tut weh. Das ist ihm aber egal. Eigentlich müsse er jetzt ein Feuer anzünden und mich grillen und essen, sagt er, aber das würde er nicht tun, weil er keinen Ãrger mit meinen Eltern bekommen will. Er springt um mich herum und gibt indianermäÃige Laute von sich. Mir tun die Fesseln weh und ich muss mal.
»Ich muss mal«, sage ich.
Er lässt mich aber einfach gefesselt und hüpft weiter.
»Ich muss mal«, sage ich lauter, weil ich jetzt wirklich dringend muss.
»Mädchen machen immer das Spiel kaputt, weil sie immer müssen«, antwortet er und hüpft weiter.
Unten zwickt es mittlerweile und mir rollen Tränen über die Wangen. Da sagt er, dass er doch ein Feuer macht, wenn ich jetzt heule. Also versuche ich, ganz leise zu schluchzen, und mache in die Hose. Zum Glück ist es Sommer und ich habe ein Kleid und keine Strümpfe an. Das Pipi läuft unsichtbar die Beine runter. Aber riechen tut es. Und dann muss ich doch heulen, weil ich mich schäme. Ich kann es einfach nicht mehr zurückhalten. Meine Eltern hören mich nicht, sie sind drinnen. Der Kaffeetisch auf der Terrasse sieht abgefressen und leer aus.
In dem Moment kommt Daniel auf uns zu, schupst Jannik zur Seite, löst meine Fesseln und schmiert Jannik dann eine, dass es knallt. Der rennt schreiend zu seinen Eltern. Die kommen raus und schimpfen Daniel. Das finde ich ungerecht und deshalb überlege ich fieberhaft, wie ich es erklären soll, aber Janniks Mutter redet so viel und so laut, dass es gar keine Lücke für meine Worte gibt. An Daniels Blick sehe ich, dass er sich nicht verteidigen wird. Man sieht es Menschen an, ob sich hinter ihrer Stirn Worte sammeln. Daniels Stirn wirkt ruhig. Und da beschlieÃe ich, auch zu schweigen. Dieser Moment ist viel zu bedeutend für Worte. Ich lächle ihn an und er lächelt nicht zurück. Aber das macht mir nichts, denn Helden lächeln nicht, denke ich, sie sind viel zu sehr mit Beschützen beschäftigt.
»Hallo miteinander.« Sebastian betrat den Raum. Wie anders er in seiner Polizeiuniform aussah, fand Ela.
»Hallo!«, sagten Luna und Ela wie aus einem Mund. Alle anderen blickten kurz auf, wandten sich dann aber wieder ihren Displays zu, denn sie kannten ihn nicht.
»Habt ihr Sophie gesehen?«
»Sie wurde für 17 Uhr bestellt«, sagte Luna.
»Alles klar bei euch?«, fragte er und blickte abwechselnd von einer zur anderen.
Die beiden antworteten nicht.
»War auch âne blöde Frage, âtschuldigung.«
»Alles bisschen viel«, sagte Luna nur.
»Kannst du uns nicht befragen?«, fragte Ela.
Sebastian lächelte. »Ich würdâs machen, glaub mir. Aber ich darf nicht. So was macht die Chefin gerne selbst.«
»Schade.«
»Treffen wir uns trotzdem morgen im Vereinsheim?«, fragte Sebastian.
Das hatte Ela total vergessen. Morgen Nachmittag wollten sie zusammen die letzten Volleyballspiele anschauen und analysieren.
»Mal schauen«, antwortete Ela und Luna
Weitere Kostenlose Bücher