Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
zurückziehen.«
»Äh, Maria«,
druckste der Hauptkommissar herum, »das mit dem Heimkommen wird noch ein wenig dauern.
Thilo und ich haben noch eine kleine Sache zu klären, aber dann bringt er mich sofort
nach Hause.«
Es entstand
eine kurze Stille in der Leitung, bevor Maria antwortete.
»Nur, dass
ich es richtig verstehe, mein lieber Paul. Du hast mit dem Fall rein gar nichts
zu tun, musst aber noch eine kleine Sache dazu abklären?«
»So ähnlich,
ja«, gab Lenz kleinlaut zu.
»Ich würde
ihn lieber jetzt als in fünf Minuten deiner Obhut übergeben, Maria«, rief Hain aus
dem Hintergrund, »aber der Herr Chefermittler will alles schön selbst in der Hand
behalten und möglichst wenig abgeben. Ach, was rede ich denn, du kennst ihn doch
mindestens genauso gut wie ich.«
»Du hast
eine Stunde. In diesen 60 Minuten werde ich alles tun, um nicht daran zu denken,
dass du heute aus dem Krankenhaus entlassen worden bist und eigentlich ins Bett
gehörst. Ab der 61. Minute allerdings wird dein Empfang zu Hause sekündlich frostiger
ausfallen.«
»Du kannst
in der Badewanne auf mich warten«, gab Lenz hörbar erleichtert zurück.
»Und wie
stellst du dir das vor? Sollen wir deine frische Operationswunde in einer Plastiktüte
verstecken?«
»Darüber
sprechen wir später.«
»60 Minuten.«
»Ja, ich
hab’s verstanden.«
»Und du
fahr los, Judas!«, ranzte der Polizist seinen jungen Kollegen an, nachdem er auf
den roten Knopf am Telefon gedrückt und es weggesteckt hatte.
»Was heißt
denn hier Judas? Es war klar, dass ich dich nach Hause bringe, schon allein deshalb,
damit ich keinen Ärger kriege, wenn dir unterwegs was passieren sollte. Aber nein,
der Herr Oberschlau muss sich ja mal wieder durchsetzen.«
Lenz wandte
den Kopf nach links und bedachte seinen Kollegen mit einem unterwürfigen Blick.
»Ich mache
mir einfach Sorgen um dich, wenn du so ganz allein bei den bösen Jungs aus dem Rotlichtmilieu
unterwegs bist. Aber mein Versprechen, dass ich im Auto sitzen bleibe und nur deinen
Rückzug decke, steht.«
»Na, dann
kann mir ja nichts passieren; zumindest dann nicht, wenn ich stiften gehen muss.«
Der Kasseler Straßenstrich spielte
sich traditionell im unteren Teil der Wolfhager Straße ab; dort gingen die Damen
des horizontalen Gewerbes seit Generationen ihrem Broterwerb nach. Auf der gut ausgeleuchteten
Meile zwischen dem Gebäude der Berufsfeuerwehr, also genau jener Kreuzung, an der
Bernd Ahrens am Heiligen Abend des Jahres 2011 seine Familie verlor, und der Brücke
über die Mombachstraße standen beidseitig der vierspurigen Ausfallstraße leicht
gekleidete, meist sehr junge Frauen und warteten auf Freier. Etwas weiter zur Stadtmitte
hin gab es noch den illegalen Drogenstrich, auf dem sich die Ärmsten der Armen prostituierten,
doch den ließen Lenz und Hain an diesem Abend links liegen. Der ehemalige Mitarbeiter
des Sittendezernats fuhr langsam stadtauswärts, wendete an der Abzweigung zum Marienkrankenhaus
und bewegte den japanischen Kombi ebenso gemächlich wieder Richtung Innenstadt.
Ein unbeteiligter Beobachter hätte vermutlich einen hohen Betrag darauf gewettet,
dass die beiden Insassen auf der Suche nach schnellem Sex bei nächster Gelegenheit
eine der grell geschminkten Damen ansteuern würden, was schließlich auch geschah.
»Hallo,
Gitti!«, rief der junge Polizist aus dem Seitenfenster, nachdem Lenz es geöffnet
hatte. Die etwa 30-jährige Frau trat lächelnd an den Wagen und sah mit schief gelegtem
Kopf ins Innere.
»Mensch,
der Kommissar Thilo! Dich hab ich aber lange nicht gesehen.«
Lenz warf
seinem Mitarbeiter einen irritierten Blick zu.
»Sie meint
nicht das, was du denkst«, murmelte Hain.
Die Frau
fing an zu grinsen und wandte den Blick in Lenz’ Richtung.
»Nein, nein,
du musst keine Angst haben, Häuptling. Dein Junge ist immer ein Braver gewesen.«
»Schön,
das zu hören«, erwiderte Lenz, wobei sich seine Irritation noch ein klein wenig
steigerte.
»Was führt
dich denn zu uns, Thilo? Du kommst doch garantiert nicht hier vorbei, um eine schnelle
Nummer zu schnorren, wie der eine oder andere von deinen Kollegen?«
»Nein, das
ist immer noch nichts für mich, Gitti. Ich bin hier, weil ich eine Information von
dir brauche.«
Die Frau
hob den Kopf und scannte kurz die Gegend ab.
»Also, wie
kann ich dir helfen?«, fragte sie, nachdem sie sich versichert hatte, dass niemand
das Trio beobachtete.
»Ich will
wissen, wo ich Peter Ehrenreich finde.«
»Peter
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